Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
Hoffnung. Der gleiche schreckliche Tod, den Candice gestorben war, ihre kleine goldene Welt in Trümmern.
Er blickte hinunter in eine der schmalen gewundenen Geländefalten. Der Boden war mit stehendem Wasser bedeckt. Große Schilfrohrbüschel mit roten zuckerwatteförmigen Blüten ragten aus der schaumigen grün-blauen Algenschicht. Die unteren Teile der Stängel waren angeschwollen und aufgeplatzt. Klebriger honiggelber Saft tropfte aus den Rissen.
Miran suchte nach einer Anomalie – einer Aufwölbung im Gras wie einem zu großen Maulwurfshügel, einem Algenfleck im Wasser, der härter war als die Übrigen.
Der Wind ließ die Schilfbüschel leicht hin und her schwanken. Ein beißender Gestank von verrottender Vegetation hüllte ihn ein. Der Xeno war nicht dort unten.
Zuversichtlich marschierte Miran weiter zur Landspitze hinunter.
Jeder Schritt ließ die Gedanken des Xenos klarer werden. Sie lagen wie ein aufgeschlagenes Buch vor ihm. Furcht war in dem Fremden aufgestiegen, so stark, dass sie fast alles andere übertönte. Ein trügerisches Gefühl von Hautfalten überkam Miran: Der Fremde zog sich zusammen, schrumpfte in sich selbst. Es war ein schützender Reflex; er versuchte sich ganz klein zu machen vor dem furchtbaren Gegner, so dass diese unwissend vorbeiging. Es war, als schlüge er Wurzeln im Land, als würde er eins mit seiner Umgebung.
Und es war sehr, sehr nahe jetzt. Bittere Erfahrung versetzte Miran in die Lage, es einzuschätzen.
Wie der Tag ihm gehörte, so gehörte dem Xeno die Nacht. Er war immer und immer wieder zur Heimstatt gekommen, hatte sich im Schutz der Dunkelheit herangeschlichen wie ein böses Gespenst. Seine obszöne Gegenwart hatte Mirans Träume gestört.
Oftmals, nachdem Miran eingeschlafen war, lief er im Traum mit Candice durch das Tal, lachend, kreischend, und um sonnenbeschienene Bäume tanzend. Es war ein Tal, wie er es in Wirklichkeit niemals gesehen hatte – leuchtend, warm, mit einer Regenbogenvielfalt von Blumen in voller Blüte, die Äste schwer von süßen Früchten. Ein Traum von Candices Traum.
Sie sprangen in das blaue glitzernde Wasser, schrien auf wegen der Kälte, planschend und spritzend wie junge Nymphen. Jedes Mal zog er sie an sich. Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, während sich ihr Mund erwartungsvoll öffnete. Und dann wurde seine Haut jedes Mal rau, dunkel und aufgeschwemmt unter seinem Griff. Er hielt den Xeno.
Beim ersten Mal war er in wilder Raserei aufgeschreckt und hatte mit den Fäusten in unkontrollierter Wut auf das Bett eingeschlagen. Das war, als ihre Gedanken angefangen hatten zu verschmelzen. Mirans heiße Wut hatte sich in eiskalten Vorsatz verwandelt. Er hatte das Lasergewehr gepackt und war in die Nacht hinaus gerannt.
Dort hatte der Xeno gewartet, draußen vor dem Koppelzaun, ein verschwommener dunkler Fleck, der nicht deutlicher werden wollte. Seine Anwesenheit löste eine Flut der Bestürzung in ihm aus, die auf seinen geschwächten Verstand prasselte, obwohl er nie ganz sicher war, ob die Ursache für seinen inneren Aufruhr in ihm selbst oder im Bewusstsein des Monsters lag. Miran hörte das Geräusch schwerer Schritte, als der Xeno flüchtete. Er feuerte hinter ihm her, nadeldünne Blitze aus rotem Licht, die die Nacht wie ein Stroboskop zerrissen und das umliegende Land in lautloses geisterhaftes Flackern tauchten. Leuchtend orangefarbene Flammen prasselten auf, wo der Strahl auf Pflanzen traf. Stellenweise entstanden Schwelbrände.
Miran hatte den Rest der Nacht in der offenen Tür gesessen und das Grab bewacht. Eine dicke Decke über den Schultern, hin und wieder einen einzelnen Schluck aus der Brandyflasche, die Laserflinte quer über dem Schoß. Als die Morgendämmerung anbrach, hatte er die Fährte des Xeno aufgenommen. Sie hatte zum Fluss hinunter geführt. In den ersten paar Wochen schien der Xeno sich nicht fern halten zu können. Miran hatte fast schon Angst zu träumen. Es waren die Träume, in denen die Geister der Xenos ihn heimsuchten, in denen sie quälend durch seine Gedanken glitten und ihn heimtückisch an die Ungeheuerlichkeit erinnerten, die Menschen über Jubarra gebracht hatten. Und wenn Candice aufstand, um ihn zu trösten, stahl der Xeno sie ihm, und er wachte weinend auf wegen des Gefühls von Verlust.
Miran erreichte den Hang am Ende des Vorsprungs. Er sah aus wie ein Fingernagel, eine ausgedehnte Fläche Schwemmland, übersät von Felsbrocken. Schmutzigbraunes Wasser
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