Arminius
ist, wie es sein soll. Alles soll so sein, wie es ist. Erst, wenn man keinen Ausweg mehr sieht, findet man den wirklichen Weg, den man gehen muss. Aber jetzt schlaft, Kinder.«
Und das waren sie ja auch noch, halb Kinder, halb Erwachsene, früh vom Schicksal in die Verantwortung genommen. Im Einschlafen bemerkte Arminius noch, dass Nehalenia die Hütte verließ, aber er war zu müde, um darauf zu reagieren. Bald war er in einen tiefen, traumlosen Schlaf gesunken.
Als er die Augen wieder aufschlug, war es heller Tag. Er blickte um sich – niemand war mehr in der Hütte, auch Elda nicht. Arminius erhob sich und ging nach draußen. Vor der Hütte reckte und streckte er sich, gähnte noch einmal und stellte fest, dass die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Dann fiel sein Blick auf Elda und Nehalenia. Neben den beiden Frauen saßen Heban und Ansar. Allmählich drangen Arminius die Ereignisse des vorigen Tages wieder ins Gedächtnis.
»Ich muss meine Eltern begraben!«, rief er und fasste sich mit beiden Händen an den Kopf.
»Das ist heute Nacht bereits geschehen«, sagte Nehalenia ruhig. »Ansar und Heban haben mir geholfen. Bevor wir das Gehöft anzündeten, haben wir die Leichen an einen sicheren Ort gebracht und sie dort beerdigt. Niemand kann ihnen mehr etwas anhaben. Die Toten werden mir Gesellschaft leisten. Wir haben sie in dem kleinen Birkenhain hinter dem Haus zur Ruhe gebettet.« Sie stand auf und wies Arminius den Weg zu den Gräbern.
Von Birken umstanden erhob sich ein großer Grabkegel. Elda nahm seine Hand. Doch Nehalenia trat zwischen die beiden, löste ihre Hände und ergriff seine rechte und Eldas linke, dann zog sie die beiden mit sich. Ansar und Heban blieben zurück. »Was siehst du, wenn du deine Hilfstruppen vor dir siehst?«
»Germanen.«
»Keine Cherusker, Chauken und wie all unsere Stämme sich nennen mögen?«
»Nein, Germanen.«
»Erinnerst du dich an das, was ich dir damals gesagt habe?«
»Ja, dass ich von den Römern lernen soll, die Römer zu schlagen!«
»Wie steht es heute damit?«
Elda blickte ihn gespannt an. Er spürte ihre Erwartung. Aber so einfach war es nicht.
»Römer haben mich entführt, Römer haben mich großgezogen, ich habe mit ihnen gemeinsam gekämpft, Freude und Not geteilt, Sieg und Niederlage, und ich habe echte Freunde unter ihnen«, sagte Arminius leise.
»Sie haben deine Eltern umgebracht«, fuhr ihn Elda verärgert an.
»Ja, im Bündnis mit einem Cheruskerfürsten«, erwiderte er zornig.
Elda zuckte wie von einem Schwerthieb getroffen zusammen. Sofort bereute er es, vom Verrat ihres Vaters gesprochen und sie dadurch verletzt zu haben. Aber auch das gehörte zur Wahrheit.
»Verläuft der Riss wirklich zwischen Römern und Germanen?«, fragte Arminius. Gewissheit, was für ein schönes Wort für etwas, das er nicht mehr besaß.
Nehalenia hob beschwichtigend die Hände. »Willst du eine römische Provinz oder ein freies Germanien? Möchtest du, dass deine Kinder einmal zu Königen eines freien Volkes werden oder zu Dienern einer fremden Macht? Dienern in einem goldenen Käfig zwar, reichen Sklaven, die in Luxus schwelgen, aber letztlich doch Vieh sind, dessen Koben man versilbert und mit Diamanten besetzt hat. Denn wenn du die Freiheit wählst, dann sind alle anderen Fragen zweitrangig. Es geht dann nicht mehr um Freundschaft, nicht mehr darum, wer im Recht oder wer am Verrat beteiligt ist. Das Vieh lebt bis zu dem Tag, an dem der Schlächter kommt, in satter Sicherheit. Sicherheit oder Freiheit, Arminius, das Schicksal vieler Menschen hängt von deiner Entscheidung ab.« An Elda gewandt fuhr die weise Frau fort: »Lassen wir ihn allein, und kochen wir das Mittagsmahl.«
Die beiden Frauen traten in die Hütte und überließen Arminius dem Sturm der Gedanken, der ihn überfiel. Er machte ein paar Schritte, doch das Brausen in seinem Kopf hielt an. Dann schaute er sich um. Er war ein einzelner, unbedeutender Mensch, der allein in der Wildnis stand und den man wegen des Mordes an den Prätorianern bald festnehmen und hinrichten würde. Und wenn der Tod nicht diesen Weg wählte, dann käme er als Gift verkleidet, Gift, das Marcus Lupus und Segestes ihm durch einen gedungenen Mörder ins Essen mischen lassen würden. Was konnte er, ein einzelner Mensch gegen eine Weltmacht ausrichten? Er kannte die Römer besser als Nehalenia, besser als Elda und all die anderen, er hatte in ihrem Herzen, in Rom gelebt und in Pannonien erfahren, wozu sie in der Lage
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