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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Gefolgsherren der Cherusker. Zuletzt kehrten sie bei Arminius’ Onkel Ingoumer ein, der sich freute, seinen Neffen wiederzusehen. Doch es blieb nicht viel Zeit, sich auszutauschen, gerade mal so viel, um Segimer und Lanina und alle Menschen, die auf deren Hof zu Tode gekommen waren, gemeinsam zu betrauern. Ingoumers Schmerz linderte das Wissen, dass der Sohn Rache für den Vater genommen hatte, denn so war es Gesetz. Und er schwor, nie darüber zu reden.
    Dann ging es weiter. Am vierten Tag erreichten sie die Albia. Nun befanden sie sich im Gebiet der Semnonen. Flach, nur von lieblichen Hügeln unterbrochen lag das fruchtbare Land vor ihnen. Arminius und Elda stellten fest, dass Hebans Vater in seinem Stamm große Achtung genoss, denn alle Mitglieder erfüllten das heilige Gastrecht nicht nur an seinem Sohn und an dessen Begleitern, sondern sie taten es voller Eifer und Freude. Was für ein herrlicher Stamm sind diese Semnonen, dachte Arminius. Geradlinige, aufrechte Menschen mit einem ausgeprägten Gespür für natürliche Würde. Und da ihm Germanicus eines Tages die Geschichte vom Tod seines Vaters erzählt hatte, erkundigte er sich bei einem Gefolgsherrn der Semnonen, einem Onkel Hebans, nach dem Riesenweib.
    »Sie lebt schon sehr lange, und sie lebt noch, und lange soll sie noch leben. Es ist Gana, der Semnonen Seherin, die Dienerin der Nerthus, der Mutter Erde«, erklärte der Semnonenfürst. Und seine Gattin, eine kräftige Frau mit so leuchtend roten Haaren, dass man den Eindruck hatte, dieser feurige Schopf wäre drauf und dran, die Hütte in Brand zu setzen, schimpfte: »Marbod verfolgt sie, deshalb hat sie Zuflucht im Heiligtum ihrer Mutter auf der Insel der Rugier gefunden.«
    Arminius erschrak. Unruhe erfasste ihn. Was würde ihm alles noch begegnen? Elda umarmte ihn und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich begleite dich. Was auch geschieht, es geschieht uns.«
    »Ja, aber nur in Gedanken! Du weißt doch selbst, dass ich den letzten Weg allein gehen muss. Aber denke an mich, deine Gedanken sind eine gute Wehr.«
    Immer wieder versuchte Arminius, mehr über das Heiligtum der Nerthus zu erfahren, von dem auch Elda nichts wusste, und selbst Heban nannte es ein Geheimnis, über das sie alle lediglich zu sagen vermochten, dass es existierte. Marbod trachtete danach, das Heiligtum zu zerstören, denn erst wenn dieses lichterloh brannte, besaß er die Herrschaft bis zum Ostmeer und womöglich darüber hinaus. In der Nähe seiner Königsburg hatte er auf einem Felsen ein anderes zentrales Heiligtum errichten lassen, das jedoch nur die Markomannen freiwillig aufsuchten. Den übrigen Germanen, gleich welchen Stammes, war es so gleichgültig, so kalt und so fremd wie die Tempel der Römer. Nicht die Götter lebten in Marbods Heiligtum, nur die Diener des Herrschers. Denn der Mensch konnte die Wohnorte der Götter auf Erden nur finden, nicht aber die Götter in seine Holzbuden zwingen.
    Die Götter wohnten vornehmlich in besonderen Hainen, die nur Wesen betreten durften, die weder ganz Mensch, noch schon Gott waren, die Begnadeten des Dritten Geschlechts. Ihr Leben war ausgefüllt und hart, wie das Glück nicht im seichten Wohlgefühl zu finden war, sondern in dem Augenblick des Loslassens nach der Anstrengung, in der Erschöpfung nach der Ankunft.
    Heban wusste etwas, Elda weniger und Arminius gar nichts von dem geheimen Kult der Götter, den die Angehörigen des Dritten Geschlechts, die weisen Frauen und Priester verrichteten. Nur in der Abgeschiedenheit konnte das Gespräch mit den Göttern gelingen, so wie in der Heimlichkeit und Abgehobenheit der Bund mit den Göttern bestand. Die Römer wussten es zum Glück nicht, sonst hätten sie alle Legionen, die sie besaßen, auf die Insel der Rugier geschickt, nach Nerthania. An dem Tag, an dem das Heiligtum und damit der Bund der Germanen mit ihren Göttern zerstört würde, zerbräche ihr Rückgrat.
    Doch auch nur wenige unter den germanischen Gefolgsherren kannten das Mysterium von Nerthania. Elda glaubte, dass ihr Vater davon nicht die geringste Ahnung besaß, und Arminius hatte nie die Gelegenheit, mit seinem Vater über diese Dinge zu reden, zu jung war er von zu Hause verschleppt worden. Wieder wurde ihm schmerzlich bewusst, wie wenig er im Grunde vom Leben und vom Glauben seines Volkes kannte. Wie sollte er da König werden? Aber das Sein fragte nicht nach dem Wissen, denn wenn man etwas war, würde man es schon erfahren. So hatten ihm die vielen Andeutungen, die er

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