Arminius
wissen, was wir am Tag nach der Schlacht machen?«
»Kriechen wir in unsere Hütten, in unseren Dreck zurück? Oder bauen wir etwas Neues? Und wenn, wie sieht dieses Neue aus?«
»Das weiß ich auch nicht. Finde es heraus!«
»Warum ich?«
»Ich hatte immer gehofft, dass du der verborgene König bist, der uns prophezeit ist. Der von den Urvätern kommt.«
»Wie kommst du darauf, dass ich es sein könnte?«
»Deine Frage hat dich enthüllt. Nur dem König, der die Germanen ins Morgen führt, brennt die Frage auf der Seele, was am Tag nach der Schlacht geschieht, denn das ist die eigentliche Frage. Siegen ist eine Kunst, aber nichts im Vergleich dazu, mit allen Männern, Frauen und Kindern in ein neues Leben aufzubrechen, dabei weder die Ahnen, noch die Nornen zu vergessen. Es tut mir sehr leid, gern hätte ich dir das erspart, aber du bist der König.«
Nicht Freude, sondern Sorge lebte in Arminius auf, weil er die dunkle Bedrohung spürte, eine Gefahr, die sowohl von außen, aber noch viel schlimmer auch von innen kam, und die darin bestand, die Macht zu erringen und sich ihr in jedem Moment gewachsen zu zeigen. Die meisten Menschen zerbrechen an ihr und werden, je mehr sie sich als große Herrscher dünken, zu ihrem Sklaven. Er stellte die Schüssel, aus der er kaum etwas gegessen hatte, beiseite. Wie gern wäre er geflohen, weggelaufen, so weit es ging, bis ans andere Ende der Welt! Warum war er damals als Knabe nicht mit Walachurrâ nach Tyrwal gegangen? Es war ihm doch verheißen worden, dass ihn hier auf der Erde nur Ungemach erwarten würde. Wie gern wäre er der Macht entflohen!
»Wie kann ich herausfinden, was wir am Tag nach der Schlacht beginnen sollen?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Geh ins Heiligtum der Nerthus«, sagte Nehalenia. »Und beeil dich, du musst in sieben Tagen da sein. Denn dort treffen sich die obersten Priester aller germanischen Stämme, mit Ausnahme der Markomannen, Marbod hat es ihnen verboten. Reite dorthin und berate dich mit ihnen. Nur mit ihnen im Bunde wird es gelingen.«
»Aber wo liegt das Heiligtum der Nerthus?«, fragte Arminius ratlos.
Vergnügt rutschte Heban hin und her und meinte nur: »Da kann ich helfen. Es liegt auf der Insel der Rugier. Ich bringe dich hin.«
»Ich reite mit«, entschied Elda.
»Tut das«, sagte Nehalenia. »Aber zum Heiligtum muss Arminius allein, wenn ihr nicht des Todes sein wollt. Niemand außer den Göttern und den Priestern darf das Heiligtum betreten – und der verborgene König. Lass dich nicht verunsichern, mein Junge, sie werden dich prüfen, ob du der König bist, bevor sie mit dir reden.«
»Was werden sie tun?«
»Ich weiß es nicht, aber vertraue dir selbst. Sei gewarnt, wenn du an dir zweifelst, bist du tot. Du kannst dir trauen, verlass dich allein auf dein Denken. Und misstraue stets deinen Gefühlen. Lass dich nicht von den Empfindungen der Angst oder der Freude benebeln. Übe dich in Gleichmut. Denke allein an das, was du tun willst und was du zu erfahren gewillt bist, das ist deine Richtschnur.«
Die drei bereiteten sich auf die Reise vor und holten ihre Pferde. Nehalenia versprach, gemeinsam mit Ansar das Gerücht zu verbreiten, Arminius habe Elda entführt. Denn ein altes germanisches Gesetz besagte, dass eine Frau, die mit ihrem Einverständnis entführt worden war, fortan als Ehefrau des Entführers galt, einerlei, ob ihre Familie damit einverstanden war oder nicht. Die Entführung und die Liebe würden Arminius Abwesenheit hinreichend erklären. Die verschwundenen Prätorianer würden zwar Unruhe verursachen, aber wer sollte ihre Kadaver im Moor finden?
»Und wenn wir zurück sind, werde ich den Tod meiner Eltern entdecken und bei Varus Klage führen über den Mord an ihnen. Ich werde verlangen, dass die Schuldigen am Massaker gefunden werden müssen. So in Bedrängnis gebracht wird er versuchen, so schnell wie möglich den Mantel des Vergessens über die ganze Angelegenheit zu breiten.«
»Brecht auf, ihr habt keine Zeit zu verlieren«, sagte Nehalenia, umarmte Arminius und küsste ihn zum Abschied auf die Stirn.
Und schon ging es los, der Albis, oder wie die Germanen sagten, der Albia entgegen. Dank Heban folgten sie dem kürzesten Weg zu dem mächtigen Strom. Sie ritten durch ausgedehnte Wälder, die zunächst dichter waren, dann aber immer häufiger von einzelnen Gehöften und Feldern und Weiden unterbrochen wurden. Dreimal nächtigen sie unterwegs, schliefen kurz und verköstigten sich bei Bauern und
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