Arminius
cheruskische Herrin beherrschen musste, die einem Haushalt vorstand und häufig genug die Feldarbeit und die Tierhaltung zu planen und zu überwachen hatte, während sich ihr Mann auf einem Raubzug, im Krieg, im Wettkampf oder auch bei einem Besäufnis befand. Von der Tüchtigkeit der Fürstin hing nicht selten der Wohlstand der Sippe ab.
Legendäre Feste fanden immer dann statt, wenn ein Sänger, ein liudar, eintraf. Der Fürst rief seine liebsten Gefolgsleute zusammen, und die Männer lauschten den Liedern und Geschichten des Sängers. Dazu tranken sie Met, philosophierten über die Welt und besprachen die vorgetragenen Geschichten. Die Frauen kümmerten sich derweil um die Wirtschaft.
Lanina versprach, sich um die weibliche Erziehung Eldas zu kümmern, und unterrichtete gemeinsam mit den anderen Frauen ihrer Sippe die Tochter fortan im Nähen, Kochen und was es sonst an häuslichen Tätigkeiten gab. Dem Nähen konnte Elda nicht viel abgewinnen, dafür umso mehr den Reitstunden und der Unterweisung im Gebrauch der Waffen. Auch das lernten die cheruskischen Frauen, weil sie in den Zeiten großer Not an der Seite ihrer Männer in den Krieg zogen. Wenn die Männer im Kampf besiegt wurden, überlebten auch die Familien nicht.
»Komm, Elda!«, rief die Mutter streng von der Tür aus. Das Mädchen wollte schon gehorchen, da wurde es von der Köchin zurückgehalten.
»Und was soll aus unserem Eintopf werden?«
Elda schaute in den Kessel. »Ich würde ihn nun mit wenig Feuer lange weitergaren lassen.«
Die alte Frau schenkte ihr ein sparsames Lächeln. »Recht so, Kind. Nun geh!«
Elda holte sich einen Wollschal, legte ihn um Hals und Schulter, hüpfte zu ihrer Mutter und trat mit ihr aus dem Langhaus, froh, dem Kochen entronnen zu sein. Außer dem Schal trug sie ein langes, braunes Wollkleid und schaute sich, kaum aus der Tür getreten, neugierig um.
Die große Wohnhalle des Fürsten Segestes thronte auf der Kuppe eines Hügels. Die Ställe, die Speicherhäuser und die Kate des Gesindes lagen am Abhang wie zwei offene Ringe vor der Halle des Fürsten. Vor dieser öffnete sich ein Platz. In der Mitte stand Segestes, vor ihm saßen seine Männer. Eine Windböe zerzauste Eldas Haare, und als sie zum Himmel blickte, sah sie, wie die Wolken eilig über die nasskalten Wipfel der schwarzen Bäume des in einiger Entfernung liegenden Waldes hinwegzogen.
Alle Gefolgsleute des Fürsten waren dem Ruf ihres Herrn gefolgt. Es waren einhundertfünfzig an der Zahl, die in der Nähe mit ihren Sippen und ihrem Gesinde lebten. Aber auch die Wehrbauern von den weiter entfernt liegenden Höfen hatten sich, von Segestes dazu aufgefordert, bei ihm eingefunden.
Elda war immer wieder beeindruckt, wenn ihr Vater diesen kampfgestählten Männern seine Anweisungen gab, und es erfüllte sie mit Stolz, wenn diese gehorchten – sie waren ja keine Sklaven, sondern freie Männer. Und so hatten sie zwar treu zu sein, aber nicht gegen ihren Willen. Sie spürte, wie bei seinem Anblick der Groll in ihr zu verfliegen begann. Mein Vater sieht wundervoll aus, dachte Elda, mit seinem wallenden langen Haar, durch das der Wind fährt, seinem borstigen dunkelblonden Bart, seiner zerfurchten Stirn und seiner scharf geschnittenen Nase. Segestes überragte selbst die stattlichsten Cherusker um Haupteslänge und verdankte seine Stärke, so munkelten die alten Frauen an den Herdfeuern, einem Bären, den er in seiner Jugend mit bloßen Händen erschlagen hatte.
Langsam, doch mit Kraft hob der Cheruskerfürst den Arm. Augenblicklich verstummten die Männer und blickten ihren Anführer erwartungsvoll an. Segestes ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Er schaute jeden seiner Männer einzeln an und fasste den ein oder anderen dabei noch etwas fester, geradezu prüfend ins Auge.
»Cherusker! Gefolgsleute!«, begann er dann mit dröhnender Stimme. »Neues tritt ein! Altes ändert sich! Die Hirschleute müssen sich dem Willen der Götter fügen. So war es, und so wird es sein! Von nun an bis ans Ende aller Tage werden wir mit den Römern in Frieden leben. Lasst uns die Wohltat des Friedens wie ein Geschenk der Götter ehren, ihn genießen, erhalten, beschützen wie ein Kind, das in der Wiege schlummert, und ihn für unseren Wohlstand nutzen! Frieden!«
Er ließ den Arm sinken, ohne seine Zuhörer aus dem Bann seines Blicks zu entlassen. Die Männer murmelten und dachten über die Ansprache ihres Fürsten nach.
Werden sie sich ereifern, oder werden sie
Weitere Kostenlose Bücher