Arminius
scherzen?, fragte sich Elda im Stillen. Wenn sie zu scherzen anfingen, dann folgten sie ihrem Herrn – andernfalls lief alles auf ein Kräftemessen hinaus. Noch ließen die verschlossenen Mienen, verborgen hinter gewaltigen Bärten, keinerlei Anzeichen erkennen. Doch dann meinte Elda, bei dem einen ein vorsichtiges Schmunzeln, ein schlecht verborgenes Grienen bei dem anderen zu entdecken.
»Frieden in der Welt bedeutet Krieg im eigenen Haus«, spottete jemand, den Elda nicht sah, dessen dünne Stimme aber auf ein hageres, schmales Kerlchen schließen ließ.
Ein Zweiter, der weit hinten saß, hielt im Bass angriffslustig dagegen: »Können wir denn was dafür, dass du ein Mannweib gefreit hast, Zeisig?«
Die Menge lachte. Schon spielte sich einer, dem der Schalk nur so aus den Augen blitzte, als Verteidiger des Schmalen auf: »Ich weiß nicht, was ihr habt. Dann ist wenigstens ein Mann im Hause!«
»Komm her, und ich zeige dir, wer hier der Mann ist«, gab der Erste zurück, verdrossen über die Scherze auf seine Kosten, wobei ihm die Stimme vor Aufregung noch eine halbe Oktave nach oben rutschte. Das sorgte für zusätzliche Heiterkeit. Und schon waren sie mitten in dem Geplänkel, das Elda über alles liebte. Die Männer suchten sich in Spottreden zu übertreffen. Ein regelrechter Wettkampf des Prahlens und Höhnens, des Scherzens und des Neckens setzte ein.
»Wird dein Frieden meine Kinder satt machen?«
»Schlachte ihn doch, und gib ihn deiner Brut zum Mahl!«
»Du meinst, der Frieden macht fett?«
»Die Schweine leben immer im Frieden. Und? Sind sie fett, ja oder nein?«
»Stimmt, die Schweine schmecken wirklich nach Frieden. Immer wenn ich einen Schinken gegessen habe, werde ich vollkommen friedfertig.«
»Wenn es so ist, will ich auch einen Schinken Frieden haben! Es kann auch ein Römerschinken sein.«
»Halt, halt, halt, bevor es ans Teilen geht, will ich eines noch wissen: Wo kommt er denn plötzlich her, dein Frieden?«
»Quiekend aus dem Unterholz.«
»Hast du etwa den Hundsgroßen die Kehl durchgeschnitten«, fragte ein alter Gefolgsmann, »dass sie Ruhe geben?«
Er hatte kaum ausgesprochen, da schlug ihm ein Hüne mit lodernd rotem Haar seine Pranke auf die Schulter und brüllte lachend: »Er hat zwei Kinder nach Rom geschickt. Als Augustus die Knaben sah, schlotterten ihm gleich die Knie. Flugs verschwand er unter den Röcken seiner Frau und winselte: Wie groß müssen erst ihre Krieger sein, wenn ihre Kinder mir schon auf den Kopf spucken?« Ein paar Männer lachten, andere aber wurden mit einem Mal ruhig. Die Stimmung drohte ins Wanken zu geraten, das spürte Elda.
»Das hast du getan? Hast du wirklich Kinder nach Rom geschickt?«, erkundigt sich plötzlich einer sehr ernst. Sie nannten ihn Bock, weil er mit dem Gemächt schneller war als mit dem Kopfe. Zwar benötigte er alle Finger beider Hände, um seine ehelichen und unehelichen Kinder zu zählen, aber er liebte alle seine Rangen gleichermaßen.
Die Frage stand wie eine Wand zwischen Segestes und seinen Cheruskern. Nach und nach erstarb auch das Lachen auf den Lippen des schwerfälligsten unter den Gefolgsleuten. Sie liebten ihre Kinder. Es bedeutete eine Schande für einen Mann, wenn er seine Nachkommen nicht beschützen konnte, und man lud ihn vor das Thing, wenn er seine Schutzbefohlenen misshandelte. Der Sohn besaß Pflichten gegenüber dem Vater, das schon, aber der Vater nicht minder gegenüber dem Sohn.
Gespannt schaute Elda zu ihrem Vater. Wie würde er es ihnen erklären? Er hatte eingewilligt, dass zwei frei geborene Cherusker als Geiseln nach Rom verschleppt wurden.
»Da ihr fragt, sollt ihr Antwort erhalten! Ja, wir haben zwei Kinder als Geiseln gestellt.« Die Antwort behagte den Männern nicht, mehr noch, sie verdross die Gefolgsleute. Unruhe breitete sich aus und ein unmutiges Gemurmel hob an.
»Wir?«
»Wer ist wir?«
»Bist du zu feige, Herr, allein dazu zu stehen?«
»Rede!«
»Wir wollen wissen, was passiert ist!«
Einer nach dem anderen erhoben sich die Männer. Elda sah nur noch eine schwarze Wand zorniger Krieger vor sich. Über die cheruskischen Sitten dufte sich auch ein Gefolgsherr nicht hinwegsetzen. Sie hatten ihre Frage gestellt, nun erwarteten sie eine Antwort. Stumm standen sie da, zu allem bereit! Elda fröstelte. Sie sorgte sich um ihren Vater, den sie trotz allem liebte, und war zugleich fasziniert von der Entschlossenheit der Männer, die nicht geneigt schienen, sich auch nur ein
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