Arminius
Frauen zu Tisch sitzen. Damit erwiesen ihm die Männer eine hohe Ehre, und es war nicht irgendjemand, der ihn so auszeichnete.
»Komm iss und trink mit uns.« Auf dem Tisch standen Rebensäfte und Wein, Wasser und das teuerste Getränk von allen: Eiswasser, das Cottus eigens aus den Alpen mit großem Aufwand herbeischleppen und dann in tief gegrabenen Eiskellern aufbewahren ließ. Auf der mit Intarsien verzierten Tischplatte drängten sich Platten mit gebratenem Fasan, gegrillten Pfauenzungen und einem gekochten Fisch, den Julius jedoch nicht kannte. Ihm fiel auf, dass Augustus Eiswasser trank, während Tiberius und Cottus freudig dem Wein zusprachen. Julius legte sich zu Tiberius, ließ aber einen Platz zwischen sich und ihm frei und schaute erwartungsvoll zum Princeps.
»Tiberius hat uns von deinen Abenteuern und deinem Mut berichtet«, sagte Augustus mit einem wohlwollenden Lächeln. »Erzähl uns, junger Mann, wie hat dir Germanien gefallen?«
Julius blickte unsicher zu seinem Onkel, der ihm aufmunternd zunickte. Dann murmelte er mit belegter Stimme: »Es ist ein Land für Tiere.«
»Und doch hat dein Vater sein Leben darangesetzt, es zu erobern.«
Julius lief rot an. Er bereute seine Antwort. Doch der Kaiser lächelte nachsichtig.
»Nichts auf der Welt wird je wie Rom sein.«
Lucius brach in ein derart dröhnendes Lachen aus, dass der Junge zusammenfuhr. »Doch, doch, Ticinum.«
Augustus warf dem Gastgeber einen Blick zu, in dem sich Missbilligung und Belustigung mischten.
»Mein lieber Lucius, ich fürchte, dir ist dein eigener Falernerwein zu Kopf gestiegen.« Julius war dem Gastgeber dankbar, dass er ihn von dem Zwang erlöst hatte, antworten zu müssen. Und der so liebenswürdig Getadelte hob, wie um das Gegenteil zu beweisen, seinen goldenen Becher, nahm einen kräftigen Schluck und sagte: »Was ist Rom, wenn Augustus nicht in den Mauern der Stadt ist? Ein Speisesaal ohne Speisen. Und was dagegen mein kleines, liebes Ticinum, wenn Augustus hier weilt? Ich will es euch sagen, dann ist Ticinum Rom, denn Augustus ist Rom, und wo Caesar weilt, da wird Rom sein.«
Die Männer schmunzelten. Julius bewunderte die elegante Schmeichelei des Hausherrn – man spürte die Absicht und war dennoch erfreut.
»Schlau, mein alter Freund, denn wenn ich widerspreche, müsste Augustus den Augustus wegen Majestätsbeleidigung anklagen. Und dennoch will ich es versuchen. Wie kann Augustus Rom sein, wo es Rom schon vor Augustus gab und nach seinem Hinscheiden weiter existieren wird?«
»Das mag sein, aber eine Welt ohne Augustus mag ich mir nicht vorstellen, deshalb bleibe ich dabei, für mich ist Rom Augustus, und wo Augustus ist, ist Rom. Und sollte das Undenkbare eintreten, dass Augustus eines Tages nicht mehr auf Erden weilt, dann habe ich mich hoffentlich längst zu den Ahnen aufgemacht und warte darauf, dass der vergöttlichte Augustus mich in meinem jenseitigen Triklinium besuchen wird.«
»Dagegen lässt sich freilich nichts sagen. Und besuchen werde ich dich auch dort, alter Freund, schon um deine Schmeicheleien nicht entbehren zu müssen. Aber du bist uns noch eine Antwort schuldig, Julius. Warum also wollte dein Vater das Land erobern, das du nicht haben willst?«
Julius schrak unmerklich zusammen, denn er hatte gehofft, dass Augustus ihr kleines Gespräch inzwischen vergessen hatte. Doch dann blickte er dem Herrscher offen in die Augen. »Weil mein Vater dieses Land unterwerfen wollte.«
»Und unterworfen hat«, fügte Tiberius hinzu.
»Glaubst du, dass wir Germanien als Provinz benötigen?«, fragte Augustus weiter.
»Mein Lehrer sagt, Rom ist ein Mann, der nicht aufgehört hat zu wachsen.«
»Ein schönes Wort von deinem Lehrer.«
»Ich glaube, dass alle Völker sich glücklich preisen können, wenn sie die Segnungen unserer Herrschaft genießen dürfen.«
»Wohl gesprochen, junger Drusus.« Julius fühlte sich geehrt und war in diesem Augenblick stolz, dass der Princeps ihn mit dem Namen seines Vaters angesprochen hatte.
»Weil dein Vater Germanien unterworfen und das Siegeszeichen an der Albis errichtet hat, sollen er und auch du, weil du ihn begleitet hast, und alle deine Nachkommen, kleiner Julius, den Namen Germanicus, Germanenbezwinger, tragen. So werde ich es in fünf Tagen anlässlich der Beisetzung von Drusus in meinem Mausoleum auf dem Marsfeld in Rom vor allen Senatoren, Rittern und Plebejern verkünden. Erweise dem Namen Germanicus, den dir dein Vater erfochten hat, Ehre, junger
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