Arminius
Mann.«
Julius strahlte vor Glück. Das gequälte Lächeln, mit dem sein Onkel Tiberius die Worte des Kaisers begleitet hatte, verunsicherte ihn nur kurz. Rasch tilgte er diesen gewiss falschen Eindruck aus seinem Gedächtnis. Augustus winkte einen Sklaven herbei und ließ seinen und den Becher, der bei dem Knaben stand, mit Wein füllen. Dann erhob er den Goldbecher. »Darauf lasst uns trinken, dass du von heute an Germanicus bist!«
Die Männer lachten den Knaben an, dann führten sie ihre Becher zum Mund. Der Junge tat es ihnen gleich, innerlich vor Freude jubelnd über diesen Namen. Es schien ihm, als sei der Name ein Versprechen, ein Gelübde seines Vaters, ihn sein ganzes Leben lang zu begleiten, als verbinde dieser Name Sohn und Vater über den Tod hinaus. Der Wein schmeckte süß und bitter zugleich.
»Deine erste Aufgabe, Germanicus«, fuhr Augustus fort, »besteht darin, dem jungen Germanen, den wir Arminius nennen, römisches Denken und römische Sitten unentbehrlich zu machen, denn wir wollen durch Germanen wie Arminius über Germanien herrschen. Lerne mit ihm, freunde dich mit ihm an, mach ihn dir und uns zum Bundesgenossen!«
In der Nacht konnte Julius lange nicht einschlafen. Verwirrende Bilder jagten durch seinen Kopf. Er stellte sich vor, dass er an der Albis stand, das Riesenweib über den Fluss kam, aus dem Boot stieg und vor ihm niederkniete. Laut rief sie in bestem Latein: »Heil dir, Germanicus, das Land jenseits des Flusses, das Land unserer Götter, unserer Heiligtümer und Reichtümer liegt ergeben offen vor dir. Betritt es, Herr! Nimm es in Besitz!«
Bald darauf, er wusste nicht zu sagen, wann, ging das Wachen allmählich in Schlummern über, die Bilder folgten ihm in den Traum. Doch wie wir das Spiel unserer Fantasie auch zu lenken verstehen, sind wir doch unseren Träumen ausgeliefert. Denn kaum hatte der Knabe im Traum das jenseitige Ufer erreicht, fielen die Germanen über ihn her und begannen, ihn bei lebendigem Leibe mit scharf geschliffenen Unterschenkelknochen auszuweiden. Er blutete, doch er starb nicht, er schrie, bis die Stimme der Mutter an sein Ohr drang und ihre Hände ihn aus dem Alb rissen. Schweißgebadet schaute er sie mit wirren, furchtsamen Augen an: was für ein schreckliches Land, dieses Germanien!
13
Wann hatte man je gehört, dass der erste Schnee im Oktober fiel? Obwohl es für diese Jahreszeit ungewöhnlich war, lagen die Felder rund um den Hof des Fürsten Segestes unter einer dicken weißen Decke. Selbst die Zweige und Äste der Bäume trugen weiße Hauben. Elda staunte über die sanfte Stille, die so überraschend und auf leisen Sohlen mit dem Schnee gekommen war. Es schien ihr, als ob die Natur sich in ein undurchdringliches Schweigen hüllte. Und wenn sie sich doch verleiten ließ und einmal sprach, dann raunte sie nur.
Der Vater hatte, als er aus der Tür trat, missmutig den Schnee in die Hand genommen und ihn zwischen den Fingern verrieben. Er fühlte sich überrumpelt. Dann ging er hinüber zu dem kleinen Gehege vor dem Stall und befühlte das Fell des Wolfshundes. Es war, wie er es erwartet hatte, sehr dick. Zurück in der Wohnhalle brummte er nur missmutig: »Es wird ein langer und kalter Winter.«
Deshalb beschloss Segestes, bevor der große Frost eintreffen würde, mit zwei Knechten, seinen beiden Söhnen und dem Wolfshund auf die Jagd zu gehen. Plötzlich trieb ihn eine fast hektische Eile, die man selten an ihm beobachtete, so als hätte ihn nicht nur der Wintereinbruch überrascht, sondern mit dem Schnee noch etwas Anderes, Geheimnisvolles.
Segestes, der die Knechte und Söhne barsch zur Eile angetrieben hatte, zog den Winterpelz über und verabschiedete sich rasch von allen, wobei er nicht versäumte, jeden zu ermahnen, seine Pflichten zu erfüllen. Dann stieg er aufs Pferd und ritt los, gefolgt von den beiden Söhnen, den Knechten, die jeweils ein Pferd für die erhoffte Beute mitführten, und dem Wolfshund.
Da sie Neumond hatten, wusste Elda, dass ihr Vater und ihre Brüder nicht vor Halbmond zurückkehrten. Er würde durch die ausgedehnten Wälder ziehen und es so einrichten, dass er unterwegs bei seinen Gefolgsleuten übernachtete. Sie kannte diese frühwinterlichen Jagdtouren, denen immer etwas Mysteriöses anhaftete.
Der Tag schleppte sich mit dem Ausbessern der Kleidung zäh dahin. Elda hasste diese Arbeit. Nachdem sich endlich der Abend auf den Hof herabgesenkt hatte und die Bewohner am Herdfeuer saßen, rückte Elda wie von
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