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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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ungefähr zu Ingard, der alten Köchin. So unauffällig wie möglich bemühte sie sich, von ihr alles über Nehalenia zu erfahren, was sie über die weise Frau wusste. Selbst den Weg zu ihr ließ sie sich beschreiben. Plötzlich hielt Ingard mitten in der Erzählung inne und musterte die Fürstentochter. »Du willst doch nicht etwa Nehalenia einen Besuch abstatten?«
    Elda lachte etwas zu laut auf. »Nein, bewahre, bei dem Wetter!«
    »Merk dir, man geht nur zu Nehalenia, wenn einen schwere Sorgen drücken. Wer unnütz die Zeit der weisen Frau vergeudet, findet sich zum Waldgeist verwandelt wieder. Sei auf der Hut, mein Kind, sei auf der Hut. Viele Eichhörnchen waren zuvor kleine Mädchen, die Nehalenia leichtfertig die Zeit stahlen.«
    In dieser Nacht lag Elda lange wach. Immer wieder fragte sie sich, ob ihr Anliegen wirklich so wichtig war, dass sie den gefahrvollen Weg zu der mächtigen Frau wagen sollte. Weit nach Mitternacht rang sie sich schließlich doch zum Aufbruch durch.
    Vorsichtig schaute sie sich um, ob auch wirklich alle fest schliefen. Dann zog sie eine Hose und ein Hemd unter ihr Wollkleid, nahm die Filzmütze und ihren Bärenfellmantel. Sie schlich zu den Töpfen und Löffeln, nahm ein großes Messer an sich, das Ingard für gewöhnlich benutzte, um Kohl und Fleisch zu schneiden, und schlich hinaus in die eisige Kälte. Doch etwas Gutes hatte der Frost: Die Sterne standen klar und leuchtend am Himmel und erhellten den Weg. Auch der Mond schaute auf Elda herab, ein wenig besorgt, wie ihr schien, als wolle er sich zu ihr gesellen, um ihr ins Gewissen zu reden. Leise holte sie ihr Pferd aus dem Stall und führte es am Zügel, bis sie weit genug vom Hof entfernt war. Dann stieg sie auf und ritt los.
    Weiß wehte ihr Atem und der des Pferdes voran. Der Weg führte sie in den großen Wald, aus dem morgens die Sonne aufstieg. Unheimlich kam ihr jetzt der vertraute Forst vor. Allerlei Geister hausten hier, mit denen selbst am Tage nicht zu scherzen war. Aber das Mädchen brauchte Gewissheit darüber, ob ihr Vater richtig entschieden hatte und Ergimer zu Recht nach Rom verschleppt worden war. Bedeutete die Trennung Willkür oder Schicksal? Tapfer biss sich Elda auf die Unterlippe und trieb ihre Stute an.
    Zuerst spürte sie nur die Unruhe des Pferdes, dann drang auch das Geheul der Wölfe an ihr Ohr. Sie brauchte nicht lange in ihren Erinnerungen zu suchen – die Geschichten von Wölfen, die nachts zu Menschen werden, um bei Sonnenaufgang wieder die Gestalt von Wölfen anzunehmen, kamen ihr wie von selbst zu Bewusstsein. Einmal wurde ein solcher Werwolf, den ihr Vater gefangen hatte, totgeschlagen und im Albenteich versenkt.
    Unterdessen raschelte es beunruhigend im Unterholz. Ängstlich spähte Elda nach beiden Seiten des Weges. Da nahm sie im Augenwinkel einen Schatten wahr, der rechts durch das froststarre Gebüsch huschte. War es ein Mensch? Das Wesen schien sich auf zwei Beinen zu bewegen, und der Oberkörper hatte wie schmutziges Zinn ausgesehen. Das Herz schlug Elda bis zum Hals, als sie ihr Pferd antrieb.
    Schneller, immer schneller. Unversehens bäumte sich die weiße Stute auf, zu überraschend für Elda, um zu erkennen, wovor das Pferd scheute, und sie fiel herunter. Schmerzhaft schlug sie auf dem gefrorenen Waldweg auf, obwohl ihre dicke Kleidung den Aufprall etwas dämpfte und wohl verhinderte, dass sie sich einen Arm oder eine Rippe brach. Wieder zu Atem gekommen sah sie das Pferd auf dem Weg hinter der nächsten Biegung verschwinden. Tränen schossen ihr in die Augen. Nun bereute sie, dass sie so leichtsinnig in die Nacht hinausgeritten war. Sie fühlte sich mutterseelenallein inmitten der Welt der Werwölfe, bösen Geister, Zwerge, weißen Frauen und anderer Ungeheuer, die sie sich besser erst gar nicht vorstellte. Dann fasste sie sich und überlegte, was sie tun sollte.
    Sie vermutete, dass sie näher an Nehalenias Hütte war als an ihrem Zuhause. Sie stand auf, schritt beherzt aus und versuchte sich Mut zu machen, indem sie ein uraltes Lied sang:
    »Nebel kommt aus Nebelland,
Bernstein aus des Meeres Born.
Liegt so tot mein Liebster, ach,
Weit in Wotans kaltem Wald.
Ach, ihr Frygen, ach, ihr Alben,
Werde ohne ihn nun alt.«
    Da plötzlich griff eine kalte Hand nach ihr und zerrte sie ins Unterholz. Vor sich sah sie einen halb nackten Jüngling, kahl geschoren, ein Koboldkind, ein Albino, der in einer Hasenfellhose stak. Sein Fleisch schimmerte fahl, die Augen glühten rot und kein Haar

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