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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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Verbindungsstegen, kleinen Plattformen und wackelnden Brücken, und mehrere hundert Meter weiter unten glaubte er, die Gruppe auszumachen, die er gerade im Spiegel gesehen hatte. Aber Rahil konnte nicht feststellen, ob es sich um die gleichen Personen handelte, denn sie verschwanden fast sofort in den Schatten hinter einem kleineren Nest.
    Sie setzten den Weg fort und begegneten insbesondere in der Nähe von Nestern Einheimischen, die sie neugierig und manchmal auch misstrauisch beäugten, aber nicht ihr Recht infrage stellten, sich in der Stadt aufzuhalten.
    »Hier deutet nichts auf eine Evakuierung hin«, sagte Rahil nach einer Weile. »Obwohl diese Leute sicher wissen, was im Norden geschieht.«
    »Die Nationen der Täler und Schluchten sind immer sehr eigensinnig gewesen«, erwiderte Sammaccan, nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Vogelmenschen in der Nähe waren. Er schien zu befürchten, sich durch seine Stimme zu verraten. »Vielleicht glauben sie, dass das Unglück nur die anderen Völker betrifft.«
    »He, ihr beiden«, erklang Coltans Stimme hinter ihnen, nachdem sie eine weitere Strickleiter hinabgeklettert waren. »Kennt jemand von euch den Weg?«
    Rahil richtete einen fragenden Blick auf Sammaccan, dem er bisher die Führung überlassen hatte.
    »Ich habe nach einem Ehrenmal gesucht, Rahil Tennerit, und dort ist eins.« Er streckte die Hand aus. »Es wird uns die Auskünfte geben, die wir brauchen.«
    Das Ehrenmal war eine von silbernen Stricken gehaltene weiße Säule, fünf oder sechs Meter hoch und einen Meter dick. Mehrere Spiegel umgaben sie und warfen ihre Abbilder in andere Teile von Lautaret. Vier Laternen leuchteten unter ihr, und als sie sich näherten, stellte Rahil fest, dass die Säule zahlreiche Zeichen und Symbole aufwies. Ein wackliger Steg aus dünnem Holz umgab die Säule. Sammaccan schien keine Probleme damit zu haben, ihm sein Gewicht anzuvertrauen und sich die Säule aus der Nähe anzusehen, aber Rahil war vorsichtiger und hielt sich an nahen Seilen fest, die nach oben führten, zu den Gebäuden eines Nestes, das zu den größten von Lautaret zählte. Hunderte von Vogelmenschen flogen dort und schienen eine Art Lufttanz aufzuführen, bei dem es vor allem darum ging, möglichst dicht aneinander vorbeizufliegen. Unter den Laternen, deren Licht die Säule empfing, erstreckte sich Leere bis hin zur silbernen Schlange des Flusses.
    Der Steg knarrte, als auch Coltan ihn betrat, und Rahils Hände schlossen sich fester um die Seile.
    »Das Ehrenmal gibt Auskunft über alle wichtigen Bürger der Stadt, und der Verwahrer gehört sicher dazu.« Sammaccan beugte sich vor und streckte die Hand nach den Symbolen aus, zog sie dann rasch wieder zurück und sah sich kurz um.
    »Kannst du die Zeichen lesen?«, fragte Rahil.
    »Ich beherrsche alle fünf Hauptsprachen von Hrkln«, sagte Sammaccan stolz. »Bildung ist eine Waffe, Rahil Tennerit. Zwar hat mich meine Mutter in Munraha nur in eine Männerschule geschickt, aber ich habe versucht, so viel wie möglich zu lernen.«
    Langsam ging der Polymorphe um die Säule herum, und Rahil folgte ihm vorsichtig, behielt dabei die Symbole im Auge. Plötzlich fiel ihm eins auf, das vertraut erschien und sich bei genauerem Hinsehen als eine stilisierte Darstellung des Hoheitszeichens der Ägide erwies.
    »Gibt es hier eine Niederlassung der Ägide?«, fragte er. »Ein Konsulat oder vielleicht sogar eine Botschaft?«
    Sammaccan betrachtete das Zeichen und die Symbole daneben. »Ja, ein Konsulat, und nicht weit von hier. Es hat ein eigenes kleines Nest.« Er deutete nach rechts, zu einer Ansammlung von grünen und blauen Gebäuden; offenbar wurde dort ein neues Nest aufgebaut.
    »Zu Äguizabel geht es dort entlang«, fügte Sammaccan hinzu und deutete auf eine lange Hängebrücke, die zu einem anderen, größeren Nest führte, das aus braunen Hütten bestand. Dahinter erkannte Rahil im Licht mehrerer Feuer eine Kombination aus Treppen und Stegen – sie reichte zu einem breiten Felsvorsprung, der wie eine Nase aus der Schluchtwand ragte.
    Rahil dachte an die Personen, die er in den Spiegeln gesehen hatte. »Zuerst statten wir dem Konsulat einen Besuch ab.«
    »Und warum, mein Sohn?«, fragte Coltan. »Erhoffst du dir vielleicht Hilfe? Wäre eine solche Hoffnung nicht ziemlich dumm? Denn eigentlich bist du gar kein Exekutor mehr, nicht wahr? Nicht einmal Missionar. Wenn ich richtig informiert bin, hat dir eine gewisse Milissa Gauwain beide Titel

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