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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Ende der siebziger Jahre hier bei Kundgebungen, die von Menschenrechtsaktivisten organisiert worden waren. Der KGB hat sie immer schnell und mit Gewalt aufgelöst. Das sind keine angenehmen Erinnerungen.«
    Der Patriarch nickte zustimmend. »Vor der Revolution hieß dieser Ort hier ›Platz der Leiden‹.«
    Sie saßen einen Augenblick schweigend da. Auf dem Platz waren Dutzende Menschen unterwegs, aber niemand befand sich in Hörweite.
    Schließlich kam Doktor Surowa zur Sache. »Auf der asiatischen Seite des Ural liegt in der Nähe von Jekaterinenburg ein Forschungsinstitut, das ›Bereich 19‹ genannt wird. Bis letzten Monat wurde dort unter meiner Leitung am Biowaffenprogramm Ikarus, dem geheimsten Forschungsprojekt der russischen Armee, gearbeitet. Dann geschah ein Unfall, ein äußerst schwerwiegender Unfall: Ein genmanipuliertes, von Mensch zu Mensch übertragbares Vogelgrippevirus entwich. Das Virus kann einen furchtbaren Schaden anrichten und Millionen Opfer fordern. Nur die Mitglieder der Forschungsgruppe und Präsident Bukin wissen von dem Unfall.«
    Doktor Surowa zögerte einen Augenblick und reichte dem Patriarchen dann ängstlich ein dickes Bündel Unterlagen.
    Endlich hielt der Patriarch die vollkommene Waffe gegen Präsident Bukin in der Hand. Alles, was Natalia Surowa ihm gerade erzählt hatte, wusste er schon. Er hatte es von zwei Diakonen erfahren, denen Wissenschaftler aus »Be reich 19« gebeichtet hatten. Aber ohne die von Doktor Surowa übergebenen Dokumente hatte er nicht gewagt, seine Informationen zu nutzen. Jetzt besaß er Beweise, dass im »Bereich 19« im Rahmen eines Biowaffenprogramms, das gegen internationale Abkommen verstieß, eine tödliche Viruswaffe hergestellt worden war und dass bei einem Unfall Krankheitserreger ausgetreten waren, die nun das Leben von Millionen Menschen bedrohten.
    Doch Doktor Surowas Unterlagen allein könnten Präsident Bukin nicht vernichten. Er würde seine Hände in Unschuld waschen und die Schuld an dem Unfall seinen Generälen, dem FSB, dem Geheimdienst der Armee oderirgendjemand anderem in die Schuhe schieben. Um den Präsidenten zu vernichten, wurde auch das »Opferbuch« gebraucht. Es würde beweisen, dass dieses neue tödliche Virus auf Befehl Bukins entstanden war.
    »Ihnen ist doch klar, was mit mir geschieht, wenn der Präsident herausbekommt, von wem Sie diese Unterlagen erhalten haben?«, fragte Natalia Surowa den in Gedanken versunkenen Kirchenmann vorsichtig.
    Der Patriarch legte seine Hand auf ihre. »Diese Beweise sind für die Kirche von unschätzbarem Wert. Sie helfen uns, damit wir uns gegen den Staat behaupten können. Wir beide wissen, wie es ist, in einer Diktatur zu leben. Russland braucht eine Gegenkraft zur Staatsmacht, und das ist seit Jahrhunderten die Kirche.«
    »Genau deshalb bin ich hierhergekommen«, versicherte Natalia Surowa leise.
    »Warum um Himmels willen haben Sie eingewilligt, das Biowaffenprogramm zu leiten?«, erkundigte sich der Patriarch.
    »Eingewilligt? Ich habe um diese Aufgabe gebeten. Für die biologische Kriegsführung geeignete Krankheiten habe ich erforscht, seit die Sowjetunion 1972 dafür die Organisation ›Biopreparat‹ gründete. Ich war einfach dran mit einer richtigen Beförderung«, sagte Natalia Surowa und lächelte müde. »Wir müssen den Terroristen voraus sein. Und Biowaffen braucht man als Abschreckung gegen Angreifer. Dieses Mantra haben sowohl die Kommunisten als auch die Präsidenten und Generäle ständig wiederholt. Aber keiner redet von den Krankheiten, die für ethnische Säuberungen entwickelt werden, oder … von diesen Unfällen.« Doktor Surowa klang verbittert.
    Der Patriarch zog die weißen Augenbrauen tiefer. »Das dürfte nicht der erste Unfall in ›Bereich 19‹ gewesen sein?«
    Die Frage schien Doktor Surowa zu überraschen. »Dervorhergehende Unfall geschah im April 1979. Jemand hatte vergessen, den Luftfilter einzusetzen, so konnten über das Lüftungssystem Milzbrandbakterien in die Außenluft gelangen. Hundertfünf Menschen starben.« Sie küsste den Handrücken des Patriarchen und verschwand, ohne sich zu verabschieden.
    Das erste Mal seit Jahren bekam Patriarch Wladimir II. Angst. Er hatte die Absicht, dem russischen Staat den Krieg zu erklären. Wenn er den Kampf verlor, könnte das die Vernichtung eines fast fünfhundert Jahre alten Dokuments, des »Opferbuches«, zur Folge haben. Dessen Geschichte war genauso lang wie die der russischen Geheimpolizei. Das

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