Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
und die Genealogie seiner königlichen Ahnen beibringen sollte, war ihm schon bald nicht mehr gewachsen.
»Er will nichts lernen, Lord!« beschwerte sich Pyrlig bei mir.
»Gebe ich ihm ein Pergament, zerreißt er es; gebe ich ihm einen Federkiel, zerbricht er ihn. Schlage ich ihn, beißt er mich. Seht nur!« Er streckte mir ein mageres, mit Flohstichen bedecktes Handgelenk entgegen, auf dem rot und entzündet die Abdrücke der königlichen Zähne prangten.
Erst als ich Eachern, einen zähen, kleinen irischen Speerkämpfer, ins Schulzimmer setzte und ihm befahl, dem König Zucht und Ordnung beizubringen, ging es ein wenig besser. Eine Tracht Prügel von Eachern zeigte dem Knaben, daß er seinen Meister gefunden hatte, so daß er sich mürrisch in die Disziplin fügte, aber lernen wollte er immer noch nicht. Wie es schien, konnte man ein Kind zwar zur Ruhe bringen, nicht aber zum Lernen zwingen. Mordred versuchte Eachern einzuschüchtern, indem er ihm sagte, sobald er König sei, werde er sich an dem Krieger für die häufigen Prügel rächen, aber Eachern verabreichte ihm einfach eine weitere Tracht und versicherte ihm, daß er, wenn Mordred großjährig sei, längst wieder nach Irland heimgekehrt sein werde. »Wenn Ihr Euch also rächen wollt, Lord König«, sagte Eachern und versetzte dem Knaben eine weitere heftige Kopfnuß, »kommt mit Eurem Heer nach Irland, da werden wir Euch zeigen, wie man Erwachsenen mit Prügeln einheizt.«
Mordred war nicht einfach ein ungebärdiger Knabe – damit wären wir fertig geworden –, sondern richtiggehend bösartig. Er war darauf aus, zu verletzen, ja sogar zu töten. Einmal, als er zehn war, fanden wir fünf Nattern in dem dunklen Keller, in dem die Metfässer lagerten. Niemand außer Mordred konnte sie dort hingebracht haben, und das hatte er zweifellos in der Hoffnung getan, daß ein Sklave oder Diener gebissen wurde. Die Kälte, die in dem Keller herrschte, hatte die Schlangen jedoch schläfrig gemacht, so daß wir sie mühelos töten konnten. Einen Monat später aber starb eine Dienerin, nachdem sie Pilze gegessen hatte, bei denen es sich, wie wir anschließend feststellten, um Giftpilze handelte. Niemand wußte, wer die Pilze ausgetauscht hatte, aber alle waren überzeugt, daß es nur Mordred gewesen sein konnte. Es war, wie Ceinwyn sagte, als sitze ein berechnendes
Erwachsenenhirn in diesem kampflustigen kleinen Körper. Ich glaube, sie mochte ihn ebensowenig wie ich, aber sie gab sich die größte Mühe, freundlich zu dem Knaben zu sein, und haßte die Prügel, die wir ihm alle verabreichten. »Die machen ihn nur noch bösartiger«, warnte sie mich.
»Das fürchte ich auch«, mußte ich eingestehen.
»Und warum tut ihr es dann?«
Ich zuckte die Achseln. »Weil er es sich sofort zunutze macht, wenn wir ihm mit Freundlichkeit begegnen.« Anfangs, als Mordred nach Lindinis kam, hatte ich mir vorgenommen, den Knaben niemals zu schlagen, doch dieser edle Vorsatz war innerhalb von wenigen Tagen vergessen; und am Ende des ersten Jahres brauchte ich nur sein häßliches, mürrisches, knollennasiges Gesicht zu sehen, um ihn am liebsten übers Knie legen und blutig schlagen zu wollen.
Und schließlich schlug selbst Ceinwyn zu. Sie hatte es wirklich nicht gewollt, aber eines Tages hörte ich sie schreien. Mordred hatte eine Nadel gefunden und stieß sie immer wieder in Morwennas Kopfhaut. Gerade wollte er ausprobieren, was geschähe, wenn er dem Baby die Nadel in die Augen stieß, als Ceinwyn herbeigelaufen kam, um nachzusehen, warum ihre Tochter schrie. Sie riß Mordred hoch in die Luft und versetzte ihm einen so heftigen Schlag, daß er halbwegs durch die Kammer flog. Von da an schliefen unsere Kinder nie mehr allein und wurden ständig von einer Dienerin begleitet – und Mordred hatte Ceinwyns Namen auf die Liste seiner Feinde gesetzt.
»Er ist ganz einfach böse«, erklärte mir Merlin. »Du erinnerst dich doch sicher noch an die Nacht, in der er geboren wurde?«
»Ganz genau«, antwortete ich, denn im Gegensatz zu Merlin war ich wirklich dabeigewesen.
»Sie haben die Christen ans Kreißlager gelassen, oder?«
fragte er mich. »Und Morgan erst geholt, als alles schiefging. Welche Vorsichtsmaßnahmen haben die Christen getroffen?«
Ich zuckte die Achseln. »Gebetet. Ich erinnere mich an ein Kruzifix.« Am Kreißlager war ich natürlich nicht gewesen, denn kein Mann durfte eine Gebärkammer betreten, aber ich hatte von Caer Cadarns Wällen aus zugesehen.
»Kein
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