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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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war dieser Tempel fast das genaue Gegenstück zu jenem, den Guinevere mir vor vielen Jahren gezeigt hatte, und auch dem verlassenen Schrein, den wir im Palast von Lindinis gefunden hatten, sehr ähnlich. Der einzige Unterschied war – abgesehen davon, daß dieser Keller größer und niedriger war als die beiden anderen Tempel –, daß man hier Tageslicht hereinließ, denn direkt über der flachen Vertiefung befand sich ein großes Loch in der gewölbten Decke. »Da oben gibt es eine Mauer«, flüsterte Gwenhwyvach und zeigte zu dem Loch hinauf, »die ist übermannshoch, damit das Mondlicht durch den Schacht hereinfallen, aber niemand hereinsehen kann. Klug ausgedacht, findet Ihr nicht?«
    Die Existenz des Mondschachtes ließ darauf schließen, daß
    der Keller sich bis unter den Seitengarten des Palastes erstreckte. Gwenhwyvach bestätigte diese Vermutung. »Dort drüben hat es mal einen Eingang gegeben«, sagte sie und zeigte auf eine gezackte Linie in dem pechverstrichenen Mauerwerk auf halber Länge des Tempels, »damit die Vorräte direkt von draußen in den Keller gebracht werden konnten, aber Guinevere hat das Gewölbe erweitert. Seht Ihr? Und es mit Rasen abgedeckt.«
    Der Tempel schien nichts übermäßig Unheimliches an sich zu haben, höchstens seine recht bösartige Schwärze, denn es gab kein Götzenbild, kein Opferfeuer und keinen Altar. Falls überhaupt, wirkte er auf mich eher enttäuschend, denn das Kellergewölbe besaß nichts von der vornehmen Würde der Räume oben. Es wirkte billig, sogar ein wenig schmuddelig. Die Römer, dachte ich, hätten diesen Raum ausgestattet, wie es sich für eine Göttin gehört, aber Guineveres Bemühungen hatten einen gemauerten Keller einfach in eine schwarze Höhle verwandelt, obwohl der niedrige, aus einem einzigen schwarzen Steinblock geschnittene Thron durchaus eindrucksvoll war. Vermutlich war es derselbe Thron, den ich in Durnovaria gesehen hatte. Gwenhwyvach schritt an dem Thron vorbei und zog den schwarzen Vorhang beiseite, damit Ceinwyn eintreten konnte. Die beiden verweilten lange hinter dem Vorhang, doch als wir die Kellerräume verließen, berichtete Ceinwyn, es gäbe dort wirklich nicht viel zu sehen.
    »Es war einfach ein kleiner schwarzer Raum«, erzählte sie,
    »mit einem großen Bett und einer Unmenge Mäusekot.«
    »Einem Bett?« fragte ich sie argwöhnisch.
    »Einem Traumlager«, erklärte Ceinwyn energisch. »Genau wie jenes, das sich auf halber Höhe von Merlins Turm befand.«
    »Ist das alles?« fragte ich, immer noch argwöhnisch. Ceinwyn zuckte die Achseln. »Gwenhwyvach wollte andeuten, daß es auch für andere Zwecke benutzt werde«, antwortete sie mißbilligend, »aber sie hatte keine Beweise und hat schließlich auch zugegeben, daß ihre Schwester dort schläft, um Träume zu empfangen.« Sie lächelte bedrückt.
    »Die arme Gwenhwyvach scheint mir nicht ganz richtig im Kopf. Sie glaubt, daß Lancelot eines Tages kommen und sie holen wird.«
    »Wie bitte?« fragte ich verblüfft.
    »Sie ist verliebt in ihn, die Ärmste«, antwortete Ceinwyn. Wir hatten Gwenhwyvach überreden wollen, mit uns an den Festlichkeiten im vorderen Garten teilzunehmen, aber sie weigerte sich. Sie werde dort nicht willkommen sein, vertraute sie uns an und lief unter mißtrauischen Blicken nach rechts und links eilig davon. »Arme Gwenhwyvach«, sagte Ceinwyn und lachte. »Typisch Guinevere, nicht wahr?«
    »Was?«
    »Einer so exotischen Religion beizutreten! Warum kann sie nicht, wie wir anderen auch, die Götter Britanniens verehren?
    Aber nein, sie muß sich etwas Fremdes und Kompliziertes aussuchen.« Sie seufzte und schob ihren Arm durch den meinen. »Müssen wir zum Festmahl wirklich bleiben?«
    Sie fühlte sich ermüdet, denn sie hatte sich von der Geburt noch nicht erholt. »Arthur wird es verstehen, wenn wir nicht teilnehmen«, sagte ich.
    »Aber Guinevere nicht«, gab sie seufzend zurück. »Also sollte ich es lieber durchstehen.«
    Wir waren an der langgestreckten Westseite des Palastes entlanggeschlendert, vorbei an der hohen Holzpalisade des Tempel-Mondschachtes, und hatten jetzt das Ende der langen Arkade erreicht. Bevor wir jedoch um die Ecke bogen, hielt ich sie an und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Ceinwyn von Powys«, sagte ich und blickte ihr in das verwunderte, liebliche Gesicht, »ich liebe dich.«
    »Ich weiß«, antwortete sie lächelnd, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte mich, bevor wir ein paar Schritte

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