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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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diese sogenannten Druiden, die er so sehr schätzt?«
    »Tanaburs’ Enkel«, sagte Galahad, und ich spürte, wie sich eine eisige Hand um mein Herz schloß. Ich hatte Tanaburs getötet, und obwohl ich das Recht gehabt hatte, seine Seele zu nehmen, war doch derjenige, der einen Druiden tötete, ein mutiger Narr, und Tanaburs’ Todesfluch schwebte immer noch über mir.
    Am folgenden Tag marschierten wir nur langsam, weil Merlins Zustand uns behinderte. Er behauptete zwar, es gehe ihm gut, und schlug jegliche Hilfe aus, doch seine Beine versagten ihm zu oft den Dienst, sein Gesicht war gelblich und eingefallen, und sein Atem ging in kurzen, rauhen Stößen. Wir hatten gehofft, den Paß bis zum Abend bewältigt zu haben, doch als das Licht des kurzen Tages schwächer wurde, hatten wir ihn noch immer nicht erreicht. Den ganzen Nachmittag hatte sich die Dunkle Straße bergaufwärts gewunden, obwohl es wie Hohn klang, jetzt noch von einer Straße zu sprechen; denn inzwischen war es ein steiniger, gefährlicher Pfad, der kreuz und quer über einen eiserstarrten Bach führte, wo dickes Eis am Rand zahlreicher kleiner Stromschnellen hing, immer wieder rutschten die Pferde aus, und zuweilen wollten sie sich überhaupt nicht mehr von der Stelle rühren; es schien uns, als verschwendeten wir mehr Zeit darauf, sie zu stützen, als sie zu führen. Doch als auch der letzte Lichtschimmer eiskalt im Westen verschwunden war, hatten wir den Paß erreicht, und es war genau so, wie ich es in meinem schaurigen Traum auf dem Gipfel des Dolforwyn gesehen hatte. Genauso trostlos war es, genauso kalt, nur der schwarze Dämon fehlte, der die Dunkle Straße versperrte. Vor uns senkte sich die Straße steil bis zu Lleyns schmalem Küstenstreifen hinab und führte dann an der Küste entlang nach Norden.
    Hinter dieser Küste lag Ynys Mon.
    Ich hatte die heilige Insel noch nie gesehen. Gehört hatte ich mein Leben lang von ihr, ich wußte von ihrer großen Macht und beklagte die Verwüstungen, die die Römer im Schwarzen Jahr dort angerichtet hatten, aber gesehen hatte ich sie nur im Traum. Jetzt, in der winterlichen Abenddämmerung, sah sie ganz anders aus als in jener bezaubernden Vision. Sie war nicht sonnenbeschienen, sondern wolkenverhangen, so daß die große Insel dunkel und bedrohlich wirkte, ein Eindruck, der vom matten Glanz der schwarzen Teiche auf den niedrigen Hügeln noch verstärkt wurde. Die Insel war nahezu schneefrei, aber an den felsigen Ufern sprühte weiß die Gischt des grauen, trostlosen Meeres. Beim Anblick der Insel sank ich auf die Knie – wir alle sanken auf die Knie, bis auf Galahad, aber selbst er ließ sich als Zeichen des Respekts schließlich auf ein Knie nieder. Als Christ träumte er zuweilen davon, nach Rom zu ziehen oder vielleicht sogar ins ferne Jerusalem, falls dieser Ort tatsächlich existierte; unser Rom und unser Jerusalem war jedoch Ynys Mon, und wir befanden uns nun in Sichtweite dieses geheiligten Bodens.
    Außerdem befanden wir uns jetzt in Lleyn. Wir hatten die unmarkierte Grenze überschritten, und die wenigen Ansiedlungen auf der Küstenebene unter uns gehörten Diwrnach. Die Felder trugen eine leichte Schneedecke, aus den Hütten stieg Rauch, aber kein Mensch schien sich in dieser dunklen Weite zu regen, und wir alle fragten uns, glaube ich, wie wir vom Festland auf die Insel gelangen sollten. »An der Meerenge muß es Fähren geben«, sagte Merlin, der unsere Gedanken las. Er war der einzige von uns, der Ynys Mon schon einmal betreten hatte, aber das war vor vielen Jahren gewesen, lange bevor er überhaupt wußte, daß der Kessel noch existierte. Als er die Insel aufsuchte, hatte noch Leodegan, Guineveres Vater, das Land regiert. Kurze Zeit später waren Diwrnachs primitive Schiffe von Irland herübergekommen, um Leodegan mitsamt seinen mutterlosen Töchtern aus seinem Königreich zu vertreiben. »Morgen früh«, sagte Merlin,
    »werden wir zur Küste marschieren und die Fährleute bezahlen. Bis Diwrnach erfährt, daß wir sein Land erreicht haben, werden wir längst wieder verschwunden sein.«
    »Er wird uns nach Ynys Mon folgen«, gab Galahad beunruhigt zu bedenken.
    »Und wir werden die Insel dann schon wieder verlassen haben«, behauptete Merlin. Er nieste. Er sah aus, als fröre er jämmerlich. Seine Nase lief, seine Wangen waren fahl, und von Zeit zu Zeit zitterte er unkontrolliert; aber er holte ein paar verstaubte Kräuter aus einem kleinen Lederbeutel, schluckte sie mit einer Handvoll

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