Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
antworten. Er war vor lauter Freude über die Taufe seines Bruders in den Fluß
gesprungen und watete nun so hastig hinaus, daß er zur selben Zeit wie sein errötender Halbbruder auftauchte. Lancelot hatte ihn nicht erwartet und erstarrte einen kurzen Moment –
vermutlich, weil er an Galahads Freundschaft mit mir dachte; doch plötzlich erinnerte er sich an die Pflicht der christlichen Liebe, die ihm vor kurzem erst auferlegt worden war, und schickte sich ergeben in Galahads begeisterte Umarmung.
»Sollen wir den Bastard ebenfalls küssen?« fragte mich Culhwch grinsend.
»Laßt ihn in Ruhe«, beschwichtigte ich ihn. Lancelot hatte mich nicht gesehen, und ich hielt es nicht für nötig, daß er mich sah; in diesem Moment jedoch entdeckte mich Sansum, der aus dem Fluß gekommen war und nun versuchte, das Wasser aus seinen schweren Gewändern zu wringen. Der Mäuselord hatte der Verlockung, einen Feind zu provozieren, noch nie widerstehen können, und brachte es auch diesmal nicht fertig.
»Lord Derfel!« rief der Bischof laut.
Ich beachtete ihn nicht. Als Guinevere meinen Namen hörte, hob sie überrascht den Kopf. Sie hatte sich mit Lancelot und seinem Halbbruder unterhalten, nun aber rief sie dem Ochsentreiber einen Befehl zu, woraufhin dieser den Tieren seinen Stachelstock so tief in die Flanken stieß, daß der Karren einen Satz nach vorn machte. Hastig sprang Lancelot auf den fahrenden Wagen und ließ seine Begleiter am Flußufer stehen. Ade folgte ihm mit seinem Pferd am Zügel.
»Lord Derfel!« rief Samsun abermals.
Widerwillig wandte ich mich zu ihm um. »Bischof?« gab ich fragend zurück.
»Dürfte ich Euch bitten, König Lancelot in den Fluß des Heils zu folgen?«
»Ich habe beim letzten Vollmond gebadet, Bischof«, rief ich ihm zu und löste damit bei den Kriegern auf unserer Flußseite Gelächter aus.
Sansum schlug das Kreuz. »Ihr solltet im heiligen Blut vom Lamm Gottes baden«, erwiderte er, »nur damit könnt Ihr die Schande des Mithras abwaschen! Ihr seid ein böser Mensch, Derfel, ein Sünder, ein Gotteslästerer, eine Ausgeburt des Satans, ein Abkömmling der Sachsen und ein Hurenbock!«
Bei der letzten Beleidigung kochte die Wut in mir hoch. Die anderen Beleidigungen waren nur Worte, aber Sansum, der zwar schlau, bei öffentlichen Konfrontationen aber niemals vorsichtig war, konnte diese letzte Beleidigung für Ceinwyn nicht unterdrücken – eine Provokation, bei der ich mich unter dem Jubel der Krieger in den Fluß stürzte, während Sansum in Panik kehrtmachte und floh. Er hatte reichlich Vorsprung vor mir und war ein wendiger, flinker Mann, aber die triefenden Schichten seiner schweren Gewänder wickelten sich um seine Beine, so daß ich ihn ein paar Schritt vom anderen Churn-Ufer entfernt erwischte. Mit meinem Speer schlug ich ihm die Füße weg, so daß er der Länge nach in die Gänseblümchen und Schlüsselblumen fiel.
Dann zog ich Hywelbane und setzte ihm die Schwertspitze an die Kehle. »Den letzten Namen, bei dem Ihr mich genannt habt, Bischof«, sagte ich, »den hab’ ich nicht richtig verstanden.«
Er sagte kein Wort, sondern sah zu Lancelots vier Begleitern hinüber, die jetzt in unserer Nähe standen. Amhar und Loholt hatten ihr Schwert gezogen, die beiden Druiden dagegen ließen es in der Scheide stecken und beobachteten mich mit unergründlichen Mienen. Inzwischen war auch Culhwch über den Fluß gekommen und stand ebenso neben mir wie Galahad, während Lancelots verunsicherte Speerkämpfer uns aus der Ferne beobachteten.
»Welches Wort hattet Ihr gewählt, Bischof?« fragte ich ihn und kitzelte seine Kehle mit Hywelbane.
»Die Hure von Babylon!« brabbelte er verzweifelt. »Die von allen Heiden verehrt wird. Das scharlachrote Weib, Lord Derfel, das Untier! Den Antichristen!«
Ich lächelte. »Und ich dachte, Ihr hättet Prinzessin Ceinwyn beleidigen wollen.«
»O nein, Lord, nein!« Er faltete die Hände. »Niemals!«
»Versichert Ihr mir das hier und jetzt?« herrschte ich ihn an.
»Ich schwöre es, Lord! Ich schwöre es beim Heiligen Geist!«
»Ich weiß nicht, wer der Heilige Geist ist, Bischof«, sagte ich, während ich seinem Adamsapfel mit Hywelbanes Spitze einen leichten Stoß versetzte. »Schwört es mir auf mein Schwert«, verlangte ich. »Küßt die Klinge, und ich werde Euch glauben.«
Jetzt haßte er mich. Er hatte mich noch nie gemocht, aber jetzt haßte er mich, und dennoch drückte er die Lippen auf Hywelbanes Stahl und küßte die Klinge.
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