Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
fragte er mich.
»Weglaufen können wir nicht«, gab ich zurück. Ich hatte zwar erwogen, einen verzweifelten Ausfall nach Norden zu wagen, aber es waren zu viele Sachsen hinter dem nördlichen Sattel, deswegen würden wir uns den Hang hinauf bis direkt vor ihre Speere kämpfen müssen. Die Chance, daß uns das gelang, war winzig klein, wogegen die Chance, im Sattel zwischen zwei Feinden auf höherem Boden in der Falle zu sitzen, bei weitem größer war. »Wir werden sie hier schlagen müssen«, sagte ich und versuchte meine Überzeugung zu kaschieren, daß wir sie überhaupt nicht schlagen würden. Gegen vierhundert Mann hätte ich wohl kämpfen können, vielleicht sogar auch gegen sechshundert; doch niemals gegen die eintausend Sachsen, die sich jetzt am Fuß des Hügelhangs zum Kampf bereit machten.
»Wenn wir einen Druiden hätten«, sagte Issa und ließ alles weitere unausgesprochen, aber ich wußte genau, was ihn beunruhigte. Er dachte, daß es nicht gut sei, ohne Gebete in die Schlacht zu gehen. Die Christen in unseren Reihen beteten, um das Sterben ihres Gottes zu imitieren, mit ausgebreiteten Armen, und außerdem hatten sie mir gesagt, daß sie keinen Priester brauchten, der sich für sie einsetzte, wogegen wir Heiden es gern hatten, wenn ein Druide die Feinde vor dem Kampf mit Flüchen überschüttete. Aber wir hatten keinen Druiden, und diese Tatsache nahm uns nicht nur die Kraft seiner Flüche, sondern ließ außerdem darauf schließen, daß wir von nun an ohne unsere Götter kämpfen mußten, weil diese Götter voller Empörung über die Unterbrechung der Riten auf Mai Dun geflohen waren.
Ich rief Pyrlig zu mir und befahl ihm, Flüche auf den Feind herabregnen zu lassen. Er erbleichte. »Aber ich bin ein Barde, Lord, und kein Druide«, protestierte er heftig.
»Ihr habt die Ausbildung zum Druiden begonnen?«
»Wie alle Barden, Lord, aber ich wurde nie in die Mysterien eingeweiht.«
»Was die Sachsen nicht wissen können«, entgegnete ich. »Steigt den Hügel hinab, hüpft auf einem Bein und verflucht ihre dreckigen Seelen bis in die Dunghaufen von Annwn hinein.«
Pyrlig tat wahrhaftig sein Bestes, doch er konnte das Gleichgewicht nicht halten, und ich spürte, daß mehr Angst als Schelte in seinen Flüchen lag. Als die Sachsen ihn entdeckten, schickten sie sechs ihrer eigenen Zauberer voraus, die seine Magie entkräften sollten. Die nackten Zauberer mit kleinen Talismanen in den Haaren, die mit Kuhdung zu grotesken Spitzen geformt waren, kletterten den Hang hinauf, um Pyrlig anzuspeien und zu verfluchen, der, als er sie kommen sah, voll Nervosität vor ihnen zurückwich. Einer der Sachsenmagier hatte einen menschlichen Oberschenkelknochen mitgebracht, den er benutzte, um den armen Pyrlig noch weiter den Hang
emporzuscheuchen, und als er die unübersehbare Angst unseres Barden bemerkte, bewegte der Sachse seinen Körper in obszönen Gesten. Immer näher kamen die feindlichen Magier – so nahe, daß wir ihre schrillen Stimmen sogar beim dröhnenden Lärm der Trommeln im Tal unten vernehmen konnten.
»Was sagen sie?« Guinevere war zu mir herübergekommen und stellte sich neben mich.
»Sie benutzen Talismane, Lady«, erklärte ich ihr. »Sie beschwören ihre Götter, daß sie uns mit Furcht erfüllen und unsere Knie zu Wasser werden lassen.« Wieder lauschte ich dem Singsang. »Sie bitten, daß
unsere Augen blind, unsere Speere zerbrochen und unsere Schwerter stumpf werden mögen.« Der Mann mit dem Oberschenkelknochen entdeckte Guinevere, wandte sich gegen sie und spie eine obszöne Schmähkanonade gegen sie heraus?
»Was sagt er jetzt?« erkundigte sie sich.
»Das wollt Ihr sicher nicht hören, Lady.«
»Aber natürlich, Derfel. Das will ich!«
»Dann möchte ich es Euch nicht mitteilen.«
Sie lachte. Der Magier, inzwischen nur noch dreißig Schritte von uns entfernt, reckte ihr sein tätowiertes Geschlechtsteil entgegen, schüttelte den Kopf, verdrehte die Augen, kreischte, sie sei eine verfluchte Hexe, und verhieß ihr, daß ihr Leib vertrocknen werde und ihre Brüste so bitter wie Galle werden würden. Dann hörte ich plötzlich ein Schwirren dicht neben meinem Ohr, und der Magier verstummte. Ein Pfeil war in seine Gurgel gedrungen und hatte den Hals durchbohrt, so daß die eine Hälfte des Pfeils hinten im Nacken herausgekommen war, während der gefiederte Schaft unter seinem Kinn steckte. Sprachlos starrte er zu Guinevere empor; er gurgelte, dann fiel ihm der Knochen aus der Hand.
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