Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
hatten dringende Verpflichtungen und mussten nach New York. Sie konnten die Reise nicht verschieben. Sicher, es ist schön, dass Millie hier ist, doch ich habe nicht das Gefühl, als würde ich das Beste aus der Gelegenheit machen.«
»Vielleicht könnten Sie ja trotzdem freinehmen? Wir könnten ohne Sie …«
»Nein, nein, schon gut. Millie verbringt den Tag bei Monica Farrell. Sie erinnern sich an Monica?«
»Ja, natürlich erinnere ich mich.«
»Ich fände es schön, wenn Sie Millie kennenlernen würden«, hörte Carter sich sagen. »Ich weiß außerdem, dass Monica sich auch freuen würde, Sie wiederzusehen. Vielleicht könnten Sie ja mitkommen, wenn ich Millie abhole, entweder heute oder morgen Abend.«
Jess verbarg das Gefühl von nackter Panik, das sie für einen Moment zu übermannen drohte. Sie mochte Kinder, zugegeben, doch sie hatte wenig mit ihnen zu tun. Außerdem war Millie nicht irgendein Kind, sondern Carters Tochter. Sie hatte immer noch Mühe mit der Vorstellung von Carter als einem hingebungsvollen Vater. Abgesehen davon, ihr Auftauchen zusammen mit Carter konnte durchaus von Monica falsch interpretiert werden, oder noch schlimmer, von Carters kleiner Tochter. Trotzdem durfte sie nicht ablehnen. Sie spürte seine Verwundbarkeit, was dieses Thema anging. Sie sagte sich, dass es nicht ihr Problem wäre, sondern seines! Sie sollte ihm freundlich, aber bestimmt sagen, dass das keine gute Idee war. Doch sich zu weigern wäre unzivilisiert und gemein gewesen.
Also antwortete sie: »Ja, ich würde Millie gerne kennenlernen und dabei Monica wiedersehen. Morgen dann, damit Sie Gelegenheit haben, Monica zu warnen, dass ich mit Ihnen zusammen auftauche.« Sie versuchte ein gesundes Maß an Begeisterung in ihre Stimme zu legen.
»Großartig!«, erwiderte Carter.
Sie hatten sein Auto erreicht und stiegen ein. »Schön, legen wir los mit unserem Mordfall!«, sagte Carter, indem er den Zündschlüssel drehte. Er klang heiterer, als der Anlass es rechtfertigte. Doch er fühlte sich mit einem Mal beschwingt, Mord hin oder her.
Früher am Morgen, ungefähr zu der Zeit, als Ian Carter unter MacTavishs missbilligenden Blicken den Frühstücksporridge zubereitet hatte, war Alfie Darrow zurückgekehrt, um seine Fallen zu kontrollieren. Zuerst jedoch begutachtete er jenen Ort der Verwüstung, der alles war, was von Key House noch existierte. Blauweißes Flatterband riegelte alles ab. Hinweisschilder warnten Passanten davor, die Ruine zu betreten, weil sie ein Tatort war. Gleichzeitig wurde dazu angehalten, jegliche Informationen bezüglich des Feuers an die Polizei weiterzuleiten.
Alfie hätte zu gerne zwischen den verrußten Mauern nach Souvenirs gewühlt, doch selbst jetzt noch strahlten die Grundmauern eine Hitze ab, die jeden Versuch vereitelte, hineinzugehen und nach vergessenen Schätzen zu suchen. Außerdem knackte und raschelte es überall unheimlich, als die Trümmer sich setzten. Es klang wie geisterhafte Wesenheiten, die Furcht erregende Dinge flüsterten. Alfie hatte – wie jeder in Weston St. Ambrose – von der Leiche gehört, die man aus den Trümmern geborgen hatte. Eine primitive Angst vor Geistern überkam ihn, welche genährt wurde aus seiner anderen großen Leidenschaft: Gruselfilme mit verwunschenen Gebäuden und schwankenden Mumien, die aus ihren Gräbern stiegen. Er hastete über das Feld in Richtung Kaninchenbau, draußen im Freien, wo man keine geisterhafte Erscheinung zu erwarten hatte und keine knöcherne Hand auf der Schulter.
Überall waren Kaninchen. Sie knabberten an den spärlichen winterharten Gräsern und wild wachsenden Pflanzen. Als Alfie eintraf, hoppelten die meisten in alle Richtungen davon, doch einige Tiere ignorierten ihn. Anscheinend dachten sie, er wäre zu weit weg, um eine Gefahr darzustellen.
Er hatte kein Glück. Schlimmer noch, eine der Fallen fehlte. Das passierte gelegentlich. Irgendein größeres Tier, vielleicht ein Fuchs, war vorbeigekommen und hatte sie mitgeschleppt. Sie konnte nicht weit weg sein. Alfie kletterte über die Einzäunung ins Unterholz, was nicht so schwierig war, da der Zaun an einigen Stellen in sich zusammengefallen war, und fing im Unterholz an zu suchen.
Er fand die Falle nicht, doch er entdeckte etwas anderes. Im ersten Moment nahm er an, dass er nicht allein war im Gehölz. Er blickte sich suchend um, und als er nichts entdecken konnte, verharrte er lauschend. Er besaß ein feines Gehör für die leisen Geräusche des Waldes, die
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