Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
stand auf und trug beide Becher zur Spüle, wo sie sie unter dem Wasserhahn abspülte. Als sie sich umdrehte, saß Petra immer noch unverändert da und starrte aus dem Fenster.
»Petra, wenn dieser Kerl hier auftauchen sollte …«
»Das wird er nicht«, erwiderte Petra schroff. »Warum sollte er?«
»Er sollte es nicht, um genau zu sein. Kein anständiger Mensch würde so etwas tun. Gervase mangelt es an sämtlichen Grundregeln des Anstands. Er war schon immer eingebildet und dumm wie …«
Petra brach in Gelächter aus und sah ihre Schwester an. »Falls er hier auftaucht, rufe ich dich an, damit du vorbeikommen und ihn vermöbeln kannst.«
»Was auch immer – denk nur daran, dass du das auch tust, wenn er kommt. Häng dich ans Telefon. Ich komme auf der Stelle her. Abgemacht?« Kits Stimme klang ernst.
»Klar, natürlich. Ich gebe dir umgehend Bescheid. Aber Kit, er wird nicht kommen. Sag Mutter, falls es das ist, was ihr Sorgen bereitet – dies hier ist bestimmt der letzte Ort, an dem Gervase Crown auftauchen wird.«
K APITEL 5
»Ich will mit jemandem reden. Ich muss mit jemandem reden, jetzt sofort. Es ist dringend!«
Die Stimme war klar, jung und gut erzogen. Der Sergeant vom Dienst, Abby Lang, blickte von dem Verloren-Gefunden-Register auf, das vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Sie hatte versucht, die beiden Listen abzugleichen und herauszufinden, ob der alte, abgetragene Verlobungsring, der von einem pflichtbewussten Mitbürger auf dem Bürgersteig vor dem Oxfam-Laden gefunden und hier abgegeben worden war, der gleiche Ring war, den die erregte ältere Dame drei Tage zuvor als vermisst gemeldet hatte. Das Problem bestand darin, dass die Dame angegeben hatte, ihr Ring hätte vier in Platin gefasste Steine; der abgegebene Ring hingegen besaß lediglich drei Diamanten. Normalerweise bedeutete das, dass es sich nicht um den gleichen Ring handelte. Doch die Dame, die ihren Ring verloren hatte, war wirklich sehr, sehr aufgeregt gewesen deswegen. So hatte es der Sergeant vom Dienst der Tagschicht vermerkt. »Sie war außerdem ein wenig diffus. Sie wissen schon, schusselig, ein wenig unsicher, was Uhrzeit und Wochentag angeht!«, merkte der Beamte an.
Abby klappte das Register zu und nahm die junge Frau in Augenschein, die vor ihr stand, die Hände in den Taschen eines langen Mantels, dessen Material nach Leder oder Kunstleder aussah. Der Umgang mit Fundsachen hatte Abby vorsichtig werden lassen, was Beschreibungen anging.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie automatisch.
Die Frau vor dem Tresen war Abbys Einschätzung zufolge etwa sechs- oder siebenundzwanzig Jahre alt, schlank, klein, mit glänzenden, kurz geschnittenen schwarzen Haaren, unter deren Pony auffallend grüne Augen funkelten. Ihre ganze Erscheinung wirkte bedrohlich. Nicht aggressiv wie ein samstagabendlicher Trunkenbold auf dem Nachhauseweg, vielmehr auf die »Ich-zahle-meine-Steuern-und-erwarte-etwas-dafür«-Weise.
»Na, das hoffe ich! Ich hab Ihnen doch gesagt, dass es wichtig ist!« Vielleicht war es nur Aufregung und keine Aggressivität. Manchmal klangen Leute aggressiv und waren letztendlich nur verängstigt.
»Wo liegt denn das Problem?«, fragte Abby. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass diese Phrase abgedroschen klang, doch sie erfüllte ihren Zweck. Längst nicht bei jedem, der hier hereinkam und meinte, er hätte ein unlösbares Problem, welches die Polizei unverzüglich aufzuklären hätte, war das auch tatsächlich der Fall. Oft handelte es sich um nichts weiter als eine verschwundene Katze.
»Ich möchte jemanden als vermisst melden.« Die Worte sprudelten nur so hervor.
Abby drehte ihr ein Klemmbrett hin. Also kein verschwundenes Haustier. Doch manchmal verschwanden Leute, weil sie es so wollten. »Nennen Sie mir bitte Ihren Namen und eine Nummer, unter der wir Sie erreichen können.«
»Sarah Gresham. Sehen Sie, hier ist meine Visitenkarte.« Sie zog eine kleine weiße Karte aus dem Leder- oder Kunstledermantel, und reichte sie ihr.
Abby betrachtete sie. Auf der Karte stand lediglich der Name Sarah Gresham, der Name einer einheimischen Bank und eine geschäftliche Telefonnummer, doch Ms Gresham zeigte ungeduldig mit ihrem Finger darauf und machte eine drehende Bewegung. Abby begriff und drehte die Karte um. Auf der anderen Seite stand eine von Hand geschriebene Adresse. »Chestnut Lodge«, las Abby laut. »Wo genau in Chestnut Lodge? Es ist ein weitläufiger edwardianischer Bau.«
»Wie Sie sehen, habe ich
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