Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
nein, ich habe keinen Groll gegen dich. Aber ich – meine ganze Familie –, wir haben allen Grund, ›sauer‹ auf dich zu sein, wie du es vermutlich nennst. Und das hat nicht das Geringste mit irgendwelchen Witzen über Gespenster zu tun.«
»Hört auf damit, alle beide, sofort!«, befahl Petra. »Und wenn ihr über mich reden wollt – bitte lasst das sein.«
Kit sah ihre Schwester bedächtig an und raufte sich die kurzen Haare, dass es aussah, als wären sie vom Wind zerzaust worden. Etwas, das aussah wie ein Lächeln, huschte über Gervase’ Gesicht. Es war so schnell wieder weg, dass Petra, obwohl sie ihn aufmerksam beobachtet hatte, nicht zu sagen vermochte, ob sie einer Täuschung aufgesessen war oder nicht.
»Wie konnte jemand in das Hotel kommen und den Brief unter deiner Zimmertür hindurchschieben, ohne dass das Personal etwas bemerkt hat?«, fragte Kit, die immer noch den Advocatus Diaboli spielte. »Das klingt alles sehr zweifelhaft, Gervase, das musst du zugeben.«
»Du gehst anscheinend nicht ins Royal Oak, außer um mir den Kopf abzureißen«, erwiderte Gervase. »Es ist nämlich so etwas wie ein Treffpunkt der Einheimischen. Ständig gehen Leute ein und aus, die nicht dort wohnen, und das Personal konzentriert sich voll und ganz auf seine eigene Arbeit und nicht auf das, was ringsum vorgeht. Man könnte mit einer kleinen Armee durch das Foyer laufen, und die einzige Reaktion käme vom Kellner, der sich erkundigt, ob jemand Kaffee bestellen möchte.«
»Ich erinnere mich an diesen Menschen«, sagte Kit mit finsterer Miene. »Man sollte wirklich meinen, heutzutage wäre Sicherheit wichtiger.«
»Es ist kein Londoner Fünfsternehotel. Hier laufen nicht ständig VIPs rein und raus«, verteidigte Petra das Royal Oak. »Ich kann mir gut vorstellen, wie jemand ungesehen hineinschlüpft und wieder verschwindet. Und wie geht es nun weiter?«
»Nimmt die Polizei die Drohung ernst?«, fragte Kit.
»Ich denke schon. Zumindest, wenn sie zu dem Schluss gekommen ist, dass ich mir den Brief nicht selbst geschickt habe. Ich denke, die rothaarige Beamtin hat mir geglaubt – nicht dass man je weiß, was in den Gehirnen von Polizeibeamten vorgeht.«
Gervase streckte die Beine aus und starrte auf die Spitzen seiner Wildlederstiefel. »Ich habe die Freundin des armen Kerls getroffen, der bei dem Brand in Key House gestorben ist«, sagte er ohne Vorwarnung.
Beide Schwestern rissen erschrocken die Münder auf.
»Wo? Wie?«, fragte Petra.
»Ich war beim Haus, um einen Blick auf alles zu werfen. Das war, nachdem du mich im Royal Oak besucht hattest, Kit. Ich stieg in den Wagen und fuhr raus. Über unsere Kindheit zu reden weckte nostalgische Gefühle in mir … Nicht dass das, was man jetzt sieht, noch die geringste Ähnlichkeit mit dem Haus von früher hätte. Es sieht aus wie im Krieg. Die Feuerwehr kommt immer noch regelmäßig vorbei, um die Reste abzukühlen, aber ich glaube, damit ist bald Schluss. Alles ist nass und voll mit schwarzem Ruß. Wie dem auch sei, ich sah, dass jemand vor mir da war – die junge Frau. Sie hatte Blumen mitgebracht. Sie hatte sie in der Küche auf den Boden gelegt, wo man den Toten gefunden hatte und wo das Feuer ausgebrochen war. Es war nicht ungefährlich, weil das Haus so instabil geworden ist, und noch während sie dort war, löste sich einer der Einbauschränke aus der Verankerung in der Wand, fiel herunter und brach auseinander. Das Holz war verkohlt und brüchig, aber es ragten ein paar gefährlich aussehende Schrauben hervor. Wie dem auch sei, sie erzählte mir, dass der Tote ihr Lebensgefährte gewesen ist. Es war sehr bewegend. Ja, selbst ich war bewegt, Kit.«
»Es ist so traurig«, sagte Petra.
»Ich fühlte mich ziemlich nutzlos«, fuhr Gervase fort. »Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und dann tauchte von allen Leuten ausgerechnet dieser alte Drachen Muriel Pickering auf mit einem glubschäugigen, o-beinigen Köter im Schlepp. Das Vieh sah aus wie Muriel. Sie kam angeblich, um mich zu retten, und fing sogleich an zu zanken. Es war schön, die alte Muriel wiederzusehen und zu sehen, dass sie sich kein Stück verändert hat. Auf der anderen Seite hat sich hier in der Gegend ohnehin nicht viel verändert – wie ich bereits zu dir sagte, Kit. Die Franzosen haben ein Sprichwort dafür. Sie haben für fast alles Sprichwörter. Sie sagen, je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr bleiben sie, wie sie sind. Heißt es nicht so?«
»Plus ça change, plus
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