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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wasser in der Wanne war noch nicht hoch und bedeckte gerade einmal ein Drittel des Wurmleibs. Die Mundöffnung formte etwas, das fast wie Worte klang, wenn auch zu undeutlich, als dass Ash sie hätte verstehen können. Dann pressten sich die lippenartigen Ränder aufeinander, damit kein Wasser eindringen konnte.
    Ash ließ sich vor der Wanne auf die Knie sinken, beugte sich über den Rand und begann das glitschige Ding mit den Händen abzureiben. Zuerst löste sich die Schleimschicht und trieb als öliger Film auf dem Wasser. Darunter fühlte sich die Haut fast wie die eines Menschen an, wenn auch vollkommen haarlos. Unter Ashs Fingern schienen sich die Vertiefungen zwischen den Segmenten zu glätten und aufzuwölben, bis sie völlig verschwunden waren. Der Körper war jetzt glatt wie eine Blindschleiche.
    Als Ash über die Schulter blickte, standen Flavien und Parker mit verbissenen Mienen in der Badezimmertür und sahen ihr zu. Parkers Rechte war noch immer zur Faust geballt, er hatte das restliche Salz nicht losgelassen, hielt die Hand aber weit genug von Flavien entfernt, damit sie ihn nicht berührte. Der wiederum war viel zu besorgt um Elodie, als dass ihn das gefährliche Salz hätte einschüchtern können.
    »Und ihr quartiert euch ausgerechnet an der Küste ein?«, fragte Ash, während sie den Körper des Sukkubus abwusch. »Was ist mit Meerwasser?«
    »Nicht genug Salz drin«, sagte Flavien. »Aber die meisten von uns gehen trotzdem nicht hinein.«
    »Was ist mit Erdnüssen? Salzstangen? Laugenbrötchen?«
    Parker räusperte sich. »Sie essen nicht. Die Energie, die sie uns Menschen stehlen, reicht zum Überleben.«
    Flavien starrte ihn feindselig an. »Du bist Schauspieler, oder? Lebst du vielleicht nicht von dem, was die Leute dir geben? Von Applaus und ihrer … was weiß ich, Liebe?«
    »Immerhin sterben sie davon nicht früher«, entgegnete Parker. »Jedenfalls nicht dass ich wüsste.«
    »Gott, könnt ihr mal aufhören?« Ash verzog das Gesicht, als sie unter Wasser den weichen Mund des Wesens abtupfte. »Was du vorhin gesagt hast … dass du weißt, wann jemand stirbt …«
    »Das hast du mir in den Mund gelegt.«
    »Aber du hast mich in dem Glauben gelassen!«
    »Und ihr habt Elodie fast umgebracht!«
    Die Kreatur begann unter Ashs Händen zu toben. Sie fuhr zurück, fiel nach hinten und wurde von Parker aufgefangen, bevor sie mit dem Kopf gegen das Waschbecken stoßen konnte.
    »Ist das normal?«, fragte sie, während der Madenkörper immer heftiger das Wasser aufpeitschte.
    Flavien nickte mit verkniffenem Gesicht. »Sie hat Schmerzen. Das macht die Verwandlung. Wie würde es sich für dich anfühlen, wenn plötzlich neue Knochen unter deiner Haut wachsen?«
    Zum ersten Mal meinte Ash auch in Parkers Zügen einen Schatten von Schuldbewusstsein zu entdecken. Er ließ das Salz ins Waschbecken fallen und spülte sich den Rest mit Wasser von den Fingern.
    Langsam richtete sie sich auf und blickte erneut über den Rand in die Badewanne.
    Der Sukkubus bewegte sich nicht mehr. Aus dem Hahn rauschte noch immer ein breiter Strahl, die Wanne war zur Hälfte vollgelaufen. Der Ölfilm auf dem Wasser schimmerte in zahllosen Farbtönen, der Wurmkörper war darunter verschwunden. Irgendetwas geschah unter der Oberfläche. Die Farbschlieren wirbelten immer heftiger, die Lichtreflexe funkelten und blitzen. Dann wölbte sich ein menschliches Gesicht durch den Schleim, riss den Mund auf und schnappte panisch nach Luft. Hände griffen ins Leere und klatschten zurück ins Wasser. Elodie trat mit beiden Füßen gegen die gekachelte Wand; es sah aus, als wollte sie im Liegen daran hinauflaufen. Im einen Moment war ihr Kopf noch kahl, dann explodierte blondes Haar wie ein Stern um ihr Gesicht und breitete sich als goldener Fächer aus.
    Flavien drängte Ash zur Seite und hob Elodies zierlichen Körper aus dem Wasser. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und hielt sich fest wie ein Kind. Sie schluchzte herzzerreißend, als er sie an Ash vorbei aus dem Badezimmer trug. Er konnte sie wegen des verstreuten Salzes nicht aufs Bett legen und setzte sie vorsichtig in einen der Sessel. Weil sie ihn nicht loslassen wollte, ging er vor ihr in die Hocke und legte seine Hand zärtlich an ihren Hinterkopf, während sie das Gesicht an seiner Schulter vergrub.
    Parker stand ein wenig hilflos da, dann nahm er eine Wolldecke aus dem Kleiderschrank und brachte sie zu den beiden hinüber. Flavien nahm sie und breitete sie über die nackte

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