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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Unruhe. Überhaupt eine gewisse Verspannung am ganzen Körper. Vor allem aber Bauchschmerzen.
    »Du bist sehr hübsch, Ash.«
    »Schönen Dank. Und das Wetter ist auch nicht schlecht.« Immerhin verschwendete er keine Zeit. War Parker damals darauf hereingefallen? Und worüber redete er gerade mit Elodie?
    Gott, sie war, verdammt noch mal, nicht eifersüchtig.
    »Ich kann auch wieder gehen«, sagte Flavien, ohne Anstalten zu machen, tatsächlich aufzustehen.
    Er erinnerte sie an irgendeinen Schauspieler aus Hollywoods zweiter oder dritter Reihe. Jemand, der den besten Freund spielte oder den Informanten des Helden; jemand für die schrägeren Nebenrollen.
    Über seine Schulter hinweg sah sie, dass sich der Parker-Doppelgänger einem anderen Opfer zugewandt hatte, einer jungen Russin, Schmuck und Make-up nach zu urteilen; sie sah müde aus, wie nach drei durchzechten Nächten. Wahrscheinlich wohnte sie schon ein paar Tage hier im Hotel und nahm alles mit, was der Ort zu bieten hatte. Ihr Bräutigam war vermutlich längst in den Zimmern der Sukkubi verloren gegangen.
    »Du siehst aus, als würdest du dir Sorgen machen«, sagte Flavien.
    Ashs Blick war nicht zu ihm zurückgekehrt, sondern wanderte über die Fassade des Hotels, von einem Balkon zum nächsten. Irgendwo dort oben waren sie jetzt. Sie hatte noch beobachtet, wie Parker mit Elodie die Bar verlassen hatte und zu den Aufzügen gegangen war.
    »Nein, gar nicht.« Sie hatte keine Angst vor ihm. Er würde wohl kaum hier am Tisch über sie herfallen.
    »Schon lange in Frankreich?«, fragte er.
    »Ein paar Tage.«
    »Und? Gefällt’s dir?«
    Sie konnte nicht den belanglosesten aller Smalltalks führen, während Parker vielleicht von diesem Sukkubus zu etwas gezwungen wurde, das er, nun, gar nicht wollte. Vielleicht.
    »Hör zu«, sagte sie zu Flavien. »Du musst dir keine Mühe geben, um mit mir ins Gespräch zu kommen. Wir reden ja schon. Also überspringen wir einfach das Geplänkel und kommen zur Sache.«
    Er verband Stirnrunzeln und Lächeln zu einem Ausdruck, der ihn vielschichtiger erscheinen ließ als sein Konversationstalent. »Als Nächstes wäre meine Charmeoffensive an der Reihe.«
    »Auf die bin ich wirklich neugierig. Aber ich fürchte, auch dazu ist keine Zeit.«
    »Verdammt.«
    Ach, scheiß drauf, dachte Ash. Wenn sie schon Zeit totschlagen musste, dann mit einem Gespräch, das sie interessierte. Und ihr fiel nur ein Weg ein, wie sie das hinkriegen konnte.
    »Ich weiß, was du bist«, sagte sie frei heraus.
    Flavien schmunzelte. »Franzose. Aus der Normandie. Hört man das?«
    »Ein Inkubus.«
    Wortlos sah er sie an.
    »Was nun?«, fragte sie. »Willst du dir lieber eine der anderen am Strand vornehmen? Oder wollen wir das Gespräch noch mal von vorn beginnen?«
    Sie hielt es für wahrscheinlich, dass er einfach aufstehen und gehen würde. Schlimmstenfalls würde er ein paar von seinen Artgenossen zusammentrommeln und sie hinauswerfen.
    Oder sie in ein Zimmer verschleppen und umbringen.
    Aber Flavien blieb sitzen, verschränkte die Arme und starrte sie unverwandt an.
    »Ich hoffe mal«, sagte sie, »Offenheit macht dich nicht an.«
    »Nicht sehr.«
    »Worüber wollen wir nun reden?«
    »Woher weißt du Bescheid? Über uns, meine ich.«
    »Wie viele Hotels gibt es wohl an der Côte d’Azur, in der die Hälfte der Gäste wie Filmstars aussieht?«
    »Einige.«
    »Und das wundert niemanden?«
    Flavien schüttelte den Kopf. »Die meisten Menschen wollen getäuscht werden. Gerade im Urlaub.«
    »Das spricht nicht für uns, schätze ich.«
    »Keiner zwingt euch dazu, mit uns ins Bett zu gehen. Aber eine Menge Leute kommen nur deshalb her. Die allermeisten sogar, jedenfalls beim zweiten Mal.«
    »Ihr raubt ihnen Lebenszeit.«
    Flavien nippte an dem Cocktail, den er mit an den Tisch gebracht hatte. »Nur kümmert das keinen. Jedenfalls nicht, solange man es nicht übertreibt. Wenn ich dir sagen würde, der Sex mit mir würde dich drei Jahre am Ende deines Lebens kosten, würde dir das allzu viel ausmachen? Wenn du statt sechsundachtzig nur dreiundachtzig werden würdest?«
    »So alt werde ich eh nicht.«
    Er lachte sie aus. »Das sagen die meisten in deinem Alter. Woher kommt das? Warum glaubt jeder zwanzigjährige Mensch, mit dreißig wäre sein Leben vorbei? Ist Gleichgültigkeit für euch dasselbe wie Coolness? Erklär’s mir, wenn du schon so viel schlauer bist als der Rest.«
    Sie hatte ein interessantes Gespräch gewollt, und nun bekam sie eines.

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