Asche und Schwert
hinter ihnen aufgetaucht war. Er deutete auf die nach unten führende Treppe. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass ihr in eure Zellen zurückkehrt und die Gäste ihren Fantasien und Vergnügungen überlasst.«
An einem entlegenen Ende des Innenhofes hatten sich Verres und Timarchides in einen Streit verstrickt, der sich in keine Richtung mehr zu bewegen schien. Sie schrien sich gegenseitig mit heiserer Stimme an und zeigten mit dem Finger aufeinander, sodass jeder, der sie nicht kannte, glauben musste, sie würden sich sogleich prügeln.
»Wollt Ihr etwa behaupten, dass die Liebe einer Frau natürlich ist?«, sagte Timarchides, der schon einigermaÃen erschöpft wirkte.
»Willst du etwa behaupten, dass sie es nicht ist?«, spuckte Verres die Worte aus.
»Frauen sind dazu da, Kinder auszutragen und zu erziehen. Doch wenn es ums Vögeln geht, sind sie kein Vergleich zum einzig Wahren.«
Einige der versammelten Gäste lachten nervös. Cicero stand mitten unter ihnen, und seine Miene wurde immer gequälter, je länger sich der Streit hinzog.
»Gesprochen wie ein Grieche!«, maulte Verres.
»Gesprochen wie die gröÃten Krieger, die die Welt je gesehen hat!«
»Müssen wir diese Diskussion wirklich jetzt führen?«
»Der heilige Bund meiner Geburtsstadt Theben! Eine Phalanx von furchterregenden Kriegern, die alle anderen Griechen vor sich her trieben. Die schönsten Jungen standen in der vordersten Frontlinie. Ihre älteren Liebhaber trugen ihre eigenen Speere in der Reihe dahinter und ermutigten die Jungen, umso entschlossener zu kämpfen, weil sie so diejenigen schützten, die sie zutiefst liebten.«
»Wurde der heilige Bund nicht in der Schlacht von Chaeronea vernichtet? Wurden nicht alle bis auf den letzten Mann vernichtet? Kein einziger hat überlebt.«
»Sie wurden von Alexander dem GroÃen getötet!«, rief Timarchides, dessen triumphierende Bemerkung verwa schen klang. »Die Liebe Alexanders zu seinem Gefährten Hephaistion übertraf bei Weitem die Liebe eines Mannes zu einer Frau. Alexander, dessen âºPerserjungeâ¹ Bagoas â«
»Genug! Meine Ohren werden dieser Dinge müde«, sagte Verres. »Du bist so betrunken, dass du nicht mehr zusammenhängend sprechen kannst.«
»Allerdings«, ergriff Cicero das Wort. »Gelegentliche Ausnahmen einer allgemeinen Regel zu erwähnen ist kein Argument, das sich zu nutzen empfiehlt, es sei denn man beabsichtigt, schlichte Gemüter und Leichtgläubige hinters Licht zu führen. Es stellt auch keine Ãbung in Rhetorik dar, wenn sich zwei Betrunkene anbrüllen. Wenn jemand wirklich beabsichtigt, sich in einem Wortgefecht zu messen, so sollte er das mit den dazu notwendigen Fertigkeiten tun. Etwa so, wie die Gladiatoren des guten Batiatus mit ihren Gegnern die Klingen kreuzen.«
Batiatus, der gerade die Treppe aus dem mittlerweile fast verlassenen ludus heraufkam, strahlte, als er hörte, dass sein Name in zustimmendem Ton erwähnt wurde.
»Ich besitze Gladiatoren«, sagte Batiatus, »die dieselben Obszönitäten bevorzugen, die Timarchides beschreibt. Das hat keinen Einfluss darauf, wie sie in der Arena auftreten.«
»Mich beunruhigt auch eher die Behauptung, dass diese nichtrömischen Männerliebhaber angeblich âºdie gröÃten Krieger, die die Welt je gesehen hatâ¹, sein sollen«, sagte Cicero. Er wandte sich an die übrigen Gäste. »Will niemand darauf antworten? Wird sich, bei einem Bankett im Herzen Italiens, niemand erheben, um die Ehre der Republik zu verteidigen?«
»Die Republik muss nicht verteidigt werden«, sagte Verres. »Die Geschichte ist ihr Schild. Das freie Griechenland existiert nicht mehr. Es wurde von Römern erobert. Und Timarchides weià das, denn es war ein Römer, der ihm die Freiheit geschenkt hat.«
Das Haus bebte vor Gelächter, und lachend wie alle anderen stolperte der zurechtgewiesene Timarchides davon, während Cicero und Verres zum Zeichen der Freundschaft und des Einverständnisses sich gegenseitig bei den Armen fassten.
»Wir wollen ein Streitgespräch über ein anderes Thema führen!«, erkärte Verres unter dem anhaltenden Jubel der Gäste. »Ich würde gerne hören, wie ein Quästor eine wirkliche Debatte angeht.«
»Beim ScheiÃhaus Apollos!«, murmelte Batiatus. » Noch mehr
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