Aschebraut (German Edition)
sich.
»Ich habe ihm eine hübsche Abfindung bezahlt, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Suche nach Vermissten eine seiner Stärken ist.«
»Da haben Sie recht.«
»Und seine Stimme hat mich fürchterlich genervt.«
»Das verstehe ich auf jeden Fall. Was ich nicht verstehe, ist, weshalb Sie ihn überhaupt erst angeheuert haben.«
»Ich habe Ihre Empfehlung auf seiner Webseite gesehen.«
Brenna seufzte.
»Rückblickend gesehen war das wahrscheinlich ein vollkommen schwachsinniger Grund. Aber er hat mir erzählt, er hätte noch Kontakt zu Ihnen. Und als er mich angerufen hat, um mir zu sagen, dass Sie in der Sache für ihn tätig werden wollen, dachte ich, ich spare mir einfach den Mittelsmann.«
»Warum haben Sie sich nicht sofort direkt an mich gewandt? Ich habe schließlich eine eigene Webseite.«
Wieder folgte eine lange Pause, aber schließlich sagte er: »Ms Spector?«
»Brenna.«
»Gut, Brenna, ich muss Sie etwas fragen.«
»Schießen Sie los.«
»Nehmen Sie dieses Gespräch möglicherweise auf?«
Sie runzelte die Stirn. »Ist das alles, was Sie wissen wollen?«
»Ihnen ist doch wohl bewusst, dass es nach kalifornischem Recht verboten ist, jemand anderen ohne dessen Erlaubnis aufzunehmen, und dass dieses Recht auch außerhalb von Kalifornien gilt? Weshalb Sie sich einer Straftat schuldig machen, wenn Sie diese Unterhaltung aufzeichnen.«
»Ich zeichne das Gespräch nicht auf, Gary«, versicherte Brenna ihm. Denn tatsächlich zeichnete sie nie Gespräche auf – weil das einfach nicht nötig war.
»Also gut. Ich glaube Ihnen«, sagte er nach einem kurzen Augenblick.
Sie glauben mir? »Warum denn wohl auch nicht?«
»Ich verbiete Ihnen hiermit, jemals eins unserer Gespräche aufzunehmen.«
»Meinetwegen. Kein Problem. Ich nehme keins von unseren Gesprächen auf.«
»Und Sie dürfen niemandem verraten, wer ich bin.«
»Nicht mal meinem Assistenten?«
»Niemandem. Für Ihren Assistenten sind Sie immer noch von Ludlow engagiert.«
»Aber …«
»Aber die Berichte Ihres Assistenten gehen ausschließlich an Sie. Haben wir uns verstanden?«
»Ja, Gary. Wir haben uns verstanden.«
»Gut.« Er atmete tief ein und langsam wieder aus. »Ich weiß, dass Sie eine Webseite haben. Ich habe sie mir sofort nach der Sendung mit diesen elenden Schnattergänsen angesehen und mir sogar Ihre Telefonnummer notiert.«
»Sie haben aber niemals angerufen.«
»Nein.«
»Und warum nicht?«
Wieder folgte eine Pause. Wieder atmete er erst tief ein und danach langsam wieder aus, und sie fragte sich, was wohl der Grund für diese Pausen und die tiefen Atemzüge war. Machte er sie einfach, weil ihm unbehaglich war, oder sollte sie sich deshalb unbehaglich fühlen? Denn das tat sie auf jeden Fall. Ihr kam es vor, als würde sie dem Mann mit ihren Fragen weh tun – diesem Mann mit dem sympathischen Gesicht und der reizenden Familie, dem das Wohlergehen armer Kinder so sehr am Herzen lag. Es kam ihr vor, als bräuchte sie nur helles Licht und eine Zigarette, um den armen Kerl endgültig zu brechen. Doch das wollte sie ganz sicher nicht. Sie wollte ihn ganz einfach nur verstehen.
»Warum haben Sie mich nicht angerufen, Gary?«
»Weil …« Seine Stimme hatte einen rauen Klang, und plötzlich sah sie ihren Vater, die verschwommene Gestalt mit den starken Händen und der warmen Stimme, die hinter dem Steuer ihres Wagens saß und schluchzte. Meine Güte, habe ich das tatsächlich erlebt?
Sie kniff die Augen zu. »Weil?«
»Weil … ich mich geschämt habe.«
Er hatte ein Verhältnis mit der Schattenfrau gehabt. Zwar nichts Körperliches, da er Lula Belle niemals begegnet war – und niemals auch nur ihr Gesicht gesehen hatte –, aber trotzdem, hatte Gary ihr am Telefon erklärt. Eine Affäre des Herzens, des Geistes und des Geldbeutels.
Sie hatte vor zwei Jahren angefangen, und zwar wie sämtliche Affären während eines Augenblicks der Schwäche. Als das Geld ausnehmend knapp gewesen war. Mit bereits über 125 000 Dollar Schulden bei seiner Kreditkartengesellschaft hatte Gary den Computer hochgefahren und die monatlichen Rechnungen bezahlt – tausend Dollar für den Model-Kurs von Tessa, 1550 Dollar für Hannahs und Lucys Klavierstunden, die beinahe schon unverschämten Summen, die der Kieferorthopäde seiner beiden Ältesten verlangte (Gott, er hätte doch auf seine Mutter hören und Zahnarzt werden sollen), die Leasingraten für die Autos und die Yacht, die beinahe immer ungenutzt im
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