Aschebraut (German Edition)
trotzdem nahm sie seine Hand und sprach die Frage aus. »Was hast du gedacht, als du diesen Film gesehen hast?«
Ihr Handy schickte den von ihr gewählten Morsecode für Textnachrichten, SOS. »Das ist vielleicht Maya«, sagte sie, aber die SMS stammte von Trent.
Auf dem Fischmarkt. Keine Spur von Persie. ☹ Hoffe, Du hast mehr Glück bei Deinem Pornodate.
Sie atmete hörbar aus. »Trent sucht nach einer entlaufenen Katze«, fing sie an, brach aber ab, als sie Nicks Miene sah.
»Sie hat sich bewegt.«
Brenna blinzelte verwirrt. »Wie bitte?«
»Du hast mich gefragt, was ich gedacht habe.«
»Und?«
»Sie hat sich während der Aufnahme bewegt.«
»Hä?«
»Weißt du, was ich damit sagen will?«
»Ich … um … ich glaube, ja.«
Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. »Die Kamera, Brenna.«
»Oh, oh, weil … Warte. Was?«
»Im letzten Teil des Films, als sie sich hat auf die Seite rollen lassen, wurde der Aufnahmewinkel unmerklich verändert. Die Kamera hat einen leichten Schwenk auf ihr Gesicht gemacht.«
»Womit du sagen willst …«
»Genau.«
»Womit du sagen willst, dass außer ihr noch jemand anderes in dem Zimmer war. Jemand hinter der Kamera.«
»So muss es gewesen sein.«
Brenna bewegte den Cursor zur Filmmitte, schaltete auf stumm und klickte abermals auf »Play«.
Schweigend schauten sie auf den Monitor.
»Da«, sagte Morasco. »Nach vier Minuten und einunddreißig Sekunden.«
Brenna ging noch mal zurück und sah noch einmal hin. Und dieses Mal fiel es ihr auf – eine winzige Veränderung des Aufnahmewinkels, eine minimale Korrektur. »Du bist ein wirklich guter Beobachter.«
»Deshalb werde ich ja auch so gut bezahlt.«
Es war noch jemand anderes in dem Raum gewesen. Jemand anderes hatte Lula Belle gefilmt. Jemand, der weiß, wer sich hinter der Schattenfrau verbirgt – der ihren wahren Namen und ihr Alter, ihre Größe, ihr Gewicht, ihre Haarfarbe und vielleicht sogar die Familie kennt, in der sie aufgewachsen ist.
Jemand, der vielleicht dafür gesorgt hatte, dass sie verschwunden war.
Morasco grinste sie noch immer an. »Also …«
»Also was?«
»Was dachtest du, wovon ich spreche, als ich dir gesagt habe, sie hätte sich bewegt?«
Sie musste ein Lächeln unterdrücken. »Also bitte.«
»Und wer von uns beiden hat jetzt die schmutzige Phantasie?«
»Gott, es ist, als würde ich mit Trent reden.«
»Ich versuche nur, deine Probleme aufzuarbeiten.«
»Und was für Probleme sollen das sein?«
Er sah sie mit gehobenen Brauen an. »Dass du – zum Beispiel – kein Bier mehr hast.«
Sie schaltete den Laptop aus, und froh über die Gesellschaft, die dämlichen Witze und den schwarzen Monitor, sah sie ihm hinterher, als er in die Küche ging. Und obwohl sie wusste, dass nicht die Bewegung einer Kamera der Grund für seinen unglücklichen, schmerzerfüllten Blick auf Lula Belle gewesen war, war sie auch froh, dass sie so tun konnte, als wüsste sie das nicht.
Schließlich brachte sie ihn an die Tür, presste ihr Gesicht gegen das Holz und lauschte seinen Schritten, bis er auf die Straße trat. »Die Kamera hat sich bewegt«, flüsterte sie. Und ließ die Erinnerung an den misslungenen Kuss auf dem O’Donnell’s -Parkplatz endlich zu.
»Oh, Nick, es tut mir leid«, wisperte sie nach ihrer Rückkehr in die Gegenwart. »Es tut mir wirklich leid.«
Erst später, als sie schlafen gehen wollte, tauchte eine weitere Erinnerung aus ihrer frühen Kindheit auf – die undeutliche, fast vergessene große Hand von ihrem Dad setzte vorsichtig ein winzig kleines Vogelbaby in einen mit Watte ausgelegten Schuhkarton. Während er mit warmer, sanfter Stimme sagte: » Wenn du ihm den Finger auf die Brust legst, kleine Kröte, kannst du seinen Herzschlag spüren.«
6
»In Ordnung, warte, warte, einen Augenblick«, bat Kate O’Hanlon sie, den Mund voll Fischsalat. »Was hatte ich an?«
Brenna stellte ihren Kaffeebecher auf den Tisch. »Ich habe dir doch schon erzählt, was du an dem Abend anhattest.«
»Erzähl’s mir noch mal.«
Sie seufzte. Aber ohne Gegenleistung machte Kate nun einmal keinen Finger krumm. »Einen roten Catsuit, ein schwarzes Bolerojäckchen mit Schulterklappen, wie sie Michael Jackson immer hatte, einen kurzen Jeansrock.«
»Hatte dieser Rock auch Rüschen?«
»Jede Menge.«
»Und was war mit meinen Schuhen?«
»Deine Schuhe sind mir an dem Tag nicht aufgefallen, Kate.«
»Wie konntest du die übersehen?« Kate biss erneut in ihren
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