Aschebraut (German Edition)
ihr schwer, sich auf den Film zu konzentrieren. Ihre Lider fallen ihr zu, sie reißt sie wieder auf und sieht auf dem Bildschirm Lula Belle, die ihre Beine brezelartig hinter ihrem schattenhaften Kopf verschränkt. »Ich bin seit drei Wochen mit ihm zusammen, aber jetzt will ich nicht mehr. Er guckt mir immer auf den Hals, als ob er mich beißen wollte, und ich könnte manchmal schwören, dass er Reißzähne hat. Es ist der Staub. Ich weiß, es ist der Staub. Er lässt mich total verrückte Dinge sehen.«
Brenna starrt den Bildschirm an. Der Staub?
»›Lass mich gehen‹, habe ich zu ihm gesagt. Zu diesem Mann, von dem ich dachte, ich brächte den Rest meines Lebens mit ihm zu. ›Lass mich gehen, mein Geliebter.‹«
»… irgendwas von Bissen in den Hals«, erklärte Hildy noch.
»Das war ein Film«, beruhigte Brenna sie.
»Sind Sie sich da sicher?«
»Ich habe ihn selbst gesehen.«
»An anderen Abenden«, fuhr Hildy langsam fort, »ich meine … ich konnte nicht verstehen, was sie genau gesagt hat, denn wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, habe ich mich möglichst taub gestellt. Aber irgendwie klang sie ganz anders als die anderen Frauenstimmen auf Robbies Computer.«
»Inwiefern?«
»Sie klang, als spräche sie ihn direkt an.«
Brenna nickte. »So macht sie es immer.«
Trent sah Hildy an. »Unter seinen Skype-Kontakten stehen keine Namen. Aber vielleicht hat er die ja auch gelöscht?«
»Ich weiß nicht, was Skype-Kontakte sind.«
Trent bemühte sich, es Hildy zu erklären, während Brennas Blick noch einmal auf den Bücherstapel auf dem Nachttisch fiel. Unter den drei Louise-Hay-Ratgebern lag ein Buch aus einer Bücherei. Obwohl sie es schon auf den ersten Blick erkannte, zog sie es unter dem Bücherberg hervor. Außergewöhnliche Kinder von R. F. Lieberman.
Sie schlug es auf und blickte auf das Datum. Robbie hatte sich das Buch am 5. Oktober ausgeliehen – an genau dem Tag, an dem sie in Faiths Sendung aufgetreten war …
Das grelle Licht der Strahler scheint ihr direkt ins Gesicht. Sie trägt eine langärmlige schwarze Bluse, und ihr offenes Haar klebt in Höhe der Schläfen an ihrem Gesicht. Sie hat einen Höllendurst. Faith lächelt ihr aufmunternd zu. Sie ist makellos geschminkt, und die warme Luft ist von dem süßlichen Geruch ihres Make-ups erfüllt. »Bist du bereit, Brenna? In fünf Minuten gehen wir auf Sendung.«
»Alles klar.«
»Ich werde damit beginnen, dass ich dich nach deiner Kindheit frage. Ist das für dich okay?« Sie hat Liebermans Buch im Schoß. Brenna starrt es an, blickt auf und sieht in Faiths himmelblaue Augen, die im Licht der Bogenlampen glitzern. »Sicher.«
»Gut.«
»Aber darf ich dich vorher noch etwas fragen?«
»Ja?«
»Wie geht es Jim?«
Brenna biss sich kräftig auf die Lippe und legte das Buch zurück. Natürlich konnte es ein Zufall sein. Aber wenn es das tatsächlich war, kam ihr dieser Zufall ziemlich eigenartig vor. Dass Robin sich Liebermans Buch genau an dem Tag ausgeliehen hatte, als es in Faiths Sendung vorgekommen war. Dass Lula Belle Gary am nächsten Tag geschrieben und ihn angewiesen hatte, ihren monatlichen Scheck an ein Postfach zu schicken, das an dem Ort, an dem Brenna aufgewachsen war, unter dem Namen Robin Tannenbaum gemietet worden war. Hatte etwa Brennas Auftritt in Sunrise Manhattan das Verschwinden dieses Mannes ausgelöst? Nicht unbedingt. Obwohl sie ganz eindeutig kurz zuvor im Fernsehen zu sehen gewesen war.
»Sie können den Computer mitnehmen«, wandte sich Mrs Tannenbaum an Trent. »Sie können damit alles tun, was Sie tun müssen, und ihn so lange behalten, wie er Ihnen etwas nützt.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Ich weiß, dass das wahrscheinlich seltsam klingt, aber ich werde erleichtert sein, wenn er nicht mehr in meiner Wohnung ist.«
Brenna sah sie fragend an.
»Er macht mir Angst«, erklärte sie. »Robbie hat fast seine ganze Zeit damit verbracht, und jetzt ist er verschwunden, und ich habe das Gefühl …«
»Als hätte der Computer ihn entführt?«
»Genau. Als hätte er ihn eingesaugt, als ich mal kurz nicht hingesehen habe, und dann diese Nachricht für mich ausgedruckt, damit ich keinen Verdacht schöpfe und … oh, ich weiß, das klingt total verrückt.«
Brenna legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Nein, das tut es nicht. Ich kann Sie gut verstehen.« Und sie verstand auf jeden Fall. Denn sie wusste ganz genau, wie es sich anfühlte, wenn jemand Warmes und Lebendiges, mit dem man stets
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