Aschebraut (German Edition)
Herzens abzustellen, und Trent das Reden überließ. Steh es durch, sagte sie sich. Du kannst nachher zusammenbrechen, aber konzentrier dich erst mal auf die Gegenwart. Nur wenn du dich darauf konzentrierst, kannst du Robin finden. Und du musst ihn finden. Musst ihn einfach finden, weil er dir vielleicht die Antworten auf deine Fragen geben kann.
Hildy suchte ihnen die Kreditkartenabrechnungen, Kontoauszüge und ein paar neue Fotos ihres Sohns heraus und erlaubte ihnen, seinen Kleiderschrank zu öffnen, in dem Brenna überwiegend Sommersachen hängen sah. In der Schrankecke entdeckte sie noch ein Stativ – aber keine Lampen, Kabel oder Kameras.
Winterkleider, Filmausrüstung. Robin war anscheinend an der Ostküste geblieben, wo er irgendetwas hatte filmen wollen.
Wenn man einen Menschen suchte, verrieten die Dinge, die er mitgenommen hatte, oft viel mehr als alles, was von ihm zurückgelassen worden war. Dieses Motto hatte Brenna stets auf ihre Arbeit, aber bisher nie auf ihr eigenes Leben angewandt. Das Bild auf dem Computerbildschirm – sie und Clea auf dem Rad, auf Cleas Rad –, hatte sie es nicht einmal in Cleas Zimmer liegen sehen? Hatte sie nicht irgendwann mal mitbekommen, wie die Schwester es betrachtet hatte? Hatte Clea nicht genau dieses Bild in einem Buch versteckt, als sie hereingekommen war?
»Wir bringen Ihnen den Computer so schnell es geht zurück«, hörte sie sich sagen, während Trent die letzten Kabel zog und den Monitor in eine saubere Decke wickelte, die ihm von Hildy überlassen worden war.
»Lassen Sie sich damit ruhig Zeit. Ich habe ja sowieso keine Verwendung für dieses Ding.«
Brenna zwang sich zu einem Lächeln. »Das ist nett von Ihnen. Aber trotzdem wäre es mir lieber, wenn sich Trent nicht allzu sehr daran gewöhnt. Weil er in Bezug auf technische Geräte manchmal etwas seltsam ist.«
»Das habe ich gehört.«
»Brenna?«
»Ja, Hildy?«
»Waren das da Sie und Ihre Schwester? Auf dem Bildschirm?«
»Ja.«
»Weshalb hätte mein Sohn ein Bild von Ihnen haben sollen?«
Brenna musste schlucken. »Das ist die 64000-Dollar-Frage«, erwiderte sie. Genau das hatte Nick gesagt, als er ihr am 1. Oktober in der verlassenen Küche einer verzweifelten Mutter gegenübergestanden hatte, die vom muffigen Geruch von Staub und alten Möbeln erfüllt gewesen war. Dem Geruch von echten Geistern, hatte sie gedacht.
»Warum nur 64000?«, fragte Trent, aber das brachte sie nicht in die Gegenwart zurück. Ach, wäre es doch immer noch Oktober, ging es ihr wehmütig durch den Kopf. Da war alles noch viel einfacher gewesen. Unwillkürlich musste Brenna lächeln. Damals war sie in das Haus einer verschwundenen trauernden Mutter eingebrochen, zusammen mit einem Mann, für den sie eine ganze Reihe komplizierter Gefühle zu entwickeln schien, und trotzdem war das alles deutlich einfacher für sie gewesen als die Dinge, mit denen sie jetzt beschäftigt war.
»Die Sendung kenne ich.« Hildy nickte, und mit einem Mal verspürte Brenna das Bedürfnis, bei Morasco anzurufen oder besser direkt hinzufahren, ihm das Bild zu zeigen und sich bei ihm auszuweinen wie ein kleines Kind. Ich verstehe das alles nicht. Bitte hilf mir, diese Dinge zu verstehen. Aber ihr war klar, das würde sie nicht tun. Immer wenn sie das Bedürfnis hatte, irgendetwas zu tun, musste sie in ihre Überlegungen mit einbeziehen, dass sie sich in Zukunft ein ums andere Mal daran erinnern würde. Aber trotzdem … trotzdem hätte sie sich gern an ihn gewandt.
Bitte hilf mir. Ich verstehe das alles nicht.
»Er hat sich inspirieren lassen«, sagte Trent, und Brenna sah ihn blinzelnd an.
Er zeigte auf ein Bild, das innen an der Tür des Schranks neben einem Spiegel hing – ein Bild von Steven Spielberg, das von einem Paparazzo aufgenommen worden war.
»Er will Regisseur werden?«, fragte Brenna.
Trent schüttelte den Kopf. »Er will aussehen wie ein Regisseur. Wie Spielberg. Deshalb hängt das Bild neben dem Spiegel. Mrs Tannenbaum, hat Robin sich einen Bart wachsen lassen, bevor er verschwunden ist?«
Hildy nickte. »Es war noch kein echter Bart, aber er hatte aufgehört, sich zu rasieren.«
»Wann?«
»Vielleicht ein paar Tage bevor er verschwunden ist.«
»Hab ich’s doch gewusst. Kann ich dieses Foto mitnehmen?«
»Selbstverständlich, nur, was wollen Sie damit?«
»Ich glaube, wenn ich Teile davon mit Photoshop in die neuen Fotos von Robin kopiere, kriegen wir ein ziemlich gutes Bild davon, wie er vor seinem
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