Aschebraut (German Edition)
zusammen war, mit einem Mal verschwand. Sie hatte selbst erlebt, wie sich ein Haus bis unters Dach mit dem Fehlen eines Menschen anzufüllen schien – durch die Rose-Royce-LP auf ihrem Plattenspieler, eine Strähne blonden Haars in einer Bürste, die zurückgelassen worden war, die Kleider im Schrank, die Marlboro Light unter dem Kopfkissen, das Adam-Ant-Poster an der von ihrer Schwester selbst in einem grellen Rosaton gestrichenen Wand. Alle diese Dinge waren noch da gewesen und hatten darauf gewartet, dass …
29. August 1983. Brenna steht um zehn Uhr morgens in Cleas altem Zimmer. Bitte komm nach Hause, denkt sie und starrt auf das Poster an der Wand. Adam Ant sieht sie mit einem bösartigen Grinsen an. Seine bösartigen schmalen Lippen grinsen breit, als wüsste er genau, wo Clea ist, und als könnte er der Mann im blauen Wagen sein. Aber schließlich könnte jeder Mann der Mann im blauen Wagen sein …
»Robbie hat sein Handy hiergelassen«, sagte Hildy. »Aber wenn jemand zwei Monate verreisen wollte, dann würde er doch wohl sein Handy mitnehmen.«
Brenna sah sie an. »Vielleicht wollte er ja nicht, dass man ihn findet.«
»Wie bitte?«
»Mit GPS kann man inzwischen beinahe jedes Handy aufspüren«, erklärte Brenna ihr. »Selbst die einfachsten Geräte senden und empfangen alle paar Minuten eine Funkfrequenz des nächstgelegenen Sendemasten, und auf diesem Weg kann man problemlos feststellen, wo ihre Benutzer gerade sind. Stimmt’s, Trent?«
»Aber ich käme nie auf die Idee, so etwas zu tun. Ich komme schließlich kaum mit meinem eigenen Handy klar, wüsste also ganz bestimmt nicht, wie ich meinen Sohn über irgendwelche Funkfrequenzen finden kann.«
»Das hätte ich auch nicht gedacht«, versicherte Brenna ihr.
»Also, warum hat er das Gerät nicht eingesteckt?«
»Vielleicht hatte er ja nicht vor Ihnen Angst.«
Hildys Augen wurden riesengroß.
»Kann ich das Handy haben, Mrs Tannenbaum? Es würde uns bei unserer Suche helfen, uns seine Kontakte anzusehen.«
Langsam zog Hildy das Handy aus der Tasche ihres Morgenrocks und hielt es Brenna hin. »Es klingelt nie«, sagte sie. »Aber trotzdem schleppe ich es überall mit mir herum. Und lade es jeden Abend auf. Wollen Sie auch das Ladegerät haben?«
»Gern.«
Sie verließ den Raum, und Brenna schaute sich das Handy an. Passend zu dem Mac Pro hatte sich RJ ein hochmodernes iPhone zugelegt. Brenna selbst war kein allzu großer Smartphone-Fan. Sie fand die Dinger nutzlos, doch am 19. Oktober des vergangenen Jahres hatte sie vorübergehend das von Trent benutzt, als ihr eigenes Handy bei einer Beschattung ausgefallen war. Und es hatte ganz genau wie dieses iPhone ausgesehen.
Sie schaltete es ein und tippte auf das Anruf-Icon. »Seltsam.«
»Was?«, erkundigte sich Trent.
»Sieht so aus, als hätte er mit diesem Ding kein einziges Mal telefoniert.«
»Wahrscheinlich hat er einfach den Anrufspeicher gelöscht. Aber den kann ich wiederherstellen.«
»Du bist einfach genial.«
»Ich weiß. Aber hör zu, kannst du dir vorher vielleicht noch den Download hier ansehen?«
Sie sah ihn fragend an.
»Es ist jugendfrei, okay?«
»Und was ist es?«
»Nur ein Bild. Aber es sieht irgendwie … persönlich aus.«
Brenna trat vor den Computer, Trent vergrößerte das Bild, und als Brenna es sah, atmete sie hörbar ein. Ihr Puls fing an zu rasen, und ihr wurde schwindelig. Und sie fürchtete während eines Moments, dass sie vielleicht zusammenbrechen würde, hier in Robin Tannenbaums nach Schweiß riechendem Zimmer, während seine Mutter wieder durch die Tür trat, um an ihr vorbei auf den Monitor zu schauen. »Kennen Sie die beiden, Brenna? Wissen Sie, wer diese beiden Mädchen sind?«
Es gibt eine Verbindung. O mein Gott, es muss eine Verbindung geben. Dies ist der Beweis.
Brenna starrte auf das alte, eingescannte Foto von dem blonden, vielleicht zehnjährigen Mädchen, das auf einem blauen Fahrrad fuhr und ein deutlich kleineres, dunkel gelocktes Mädchen auf seinem Lenker balancieren ließ. Beide trugen Badeanzüge in Leuchtfarben, und beide lachten in die Kamera. Sieh nur, Daddy! Sieh nur, was wir können!
»Er hat dieses Bild von uns geliebt«, flüsterte sie erstickt.
»Wer?«
»Mein Vater.«
Weil auf diesem Foto, das er 1975 aufgenommen hatte, seine beiden Töchter abgebildet waren.
8
Brenna schaffte es, die nächsten paar Minuten irgendwie zu überstehen, indem sie versuchte, das Dröhnen ihres Schädels und das wilde Klopfen ihres
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