Aschenputtel: Thriller (German Edition)
Krankenakten in die Hände bekommen? In dem Fall bräuchte er die Frauen zum Zeitpunkt der Abtreibung nicht einmal gekannt zu haben.
Peder seufzte. Es gab eine schier unendliche Menge von Alternativen, aus denen sie wählen mussten.
Allerdings hatten sie mehrere Hinweise darauf gefunden, dass ihr Täter in irgendeiner Weise einen medizinischen Background hatte, möglicherweise in einem Krankenberuf arbeitete. Da waren die Talkumspuren der Handschuhe, und da waren die Medikamente, zu denen er Zugang zu haben schien. Beruhigungsmittel einerseits, aber auch das tödliche Insulin andererseits.
Peder dachte nach. Die Präparate an sich waren nicht sonderlich außergewöhnlich, die waren in sämtlichen Apotheken und Krankenhäusern Schwedens mit Sicherheit rund um die Uhr verfügbar. Doch nicht alle Krankenhäuser beschäftigten Personal, das wegen schwerer Gewaltverbrechen im Gefängnis gesessen hatte. Wurde so etwas überhaupt kontrolliert? Und wenn ja, könnte der Mann nicht einfach unter falschem Namen im Krankenhaus gearbeitet haben?
Peder bezweifelte das. So viel Kontrolle über ihre Angestellten mussten die Krankenhäuser doch haben. Wenn der Namenswechsel nicht ganz legal geschehen war.
Peder drehte und wendete seine Fakten, während die ganze Zeit über der Satz » Das muss doch nachzuprüfen sein« in seinem Kopf herumspukte. Er wurde zu einem Mantra, zu einer Rettungsboje, an der er sich festklammerte. Irgendwo da draußen war der Mann, den sie suchten. Sie mussten ihn nur finden.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in Gedanken versunken dagesessen hatte, als Fredrika anrief und bestätigte, was sie bereits geahnt hatten: nämlich dass auch Magdalena Gregersdotter vor langer Zeit eine Abtreibung hatte vornehmen lassen. Die Verbindung zu dem Badezimmer in Bromma erschien Peder ebenso tragisch wie faszinierend.
Eine halbe Stunde später betrat Fredrika sein Zimmer. Sie sah anders aus, trug Jeans und ein einfaches T-Shirt und ein Cordjackett darüber. Das Haar hatte sie in einem festen Pferdeschwanz aus dem Gesicht gebunden, und sie war fast ungeschminkt. Sie sah hübsch aus.
» Hast du Zeit?«, fragte sie.
» Natürlich.« Er wies ihr den Stuhl vor seinem Schreibtisch, und Fredrika setzte sich. Sie hatte einen Stapel Papier in der Hand.
» Ich habe die Krankenakten der Frauen gefaxt bekommen«, sagte sie und winkte mit dem Papier. » Von damals, als sie die Abtreibung haben machen lassen.«
Peder setzte sich auf.
» Glaubst du, dass der Mörder im Krankenhaus arbeitet?«
» Ja, ich glaube, dass der Mörder in irgendeiner Weise in der Pflege arbeitet oder gearbeitet hat«, sagte Fredrika vorsichtig. » Und ich glaube, dass die Frauen ihm dort begegnet sind. Womöglich haben sie ihn nicht persönlich kennengelernt, aber der Zusammenhang ist meiner Einschätzung nach plausibel. Ich glaube allerdings, dass er während ihrer Behandlung keine wichtige Rolle gespielt hat. Dass sie sich deshalb nicht an ihn erinnern.«
» Ein Mann aus der Umgebung«, murmelte Peder.
» Ganz genau.«
Sie schob einen Teil der Papiere zu Peder hinüber.
» Sollen wir das hier zusammen machen, während du auf deine Unterlagen von Ellen wartest? Wer weiß, vielleicht ist es ja das Verbindungsstück, das uns fehlt.«
In Ellens Arbeitszimmer wurde es immer wärmer. Sie merkte, wie ihr Deodorant sich auflöste und sie anfing zu schwitzen. Das war immer auch ein Zeichen dafür, dass sie nervös wurde. Wenn sie nervös war, schwitzte sie immer.
Warum ließ Carl nichts von sich hören? Sollte sie vielleicht doch nicht bis zum Abend warten, bis sie die Krankenhäuser abtelefonierte? Bis zum Abend schien es ihr noch so unglaublich lange hin zu sein.
Es fehlte nicht viel, und Ellen wäre vor Angst in Tränen ausgebrochen. Was war eigentlich los mit ihr? Sie strich über den Blumenstrauß, den Carl ihr einige Tage zuvor geschickt hatte. Sie hatte doch so viel Liebe zu geben, warum musste er es ihr so schwer machen?
Ich bin labil geworden, dachte Ellen und lächelte schwach über sich selbst. Es fiel ihr sekündlich schwerer, Erklärungen für Carls Verhalten zu finden.
Und auf einmal schlugen Angst und Unsicherheit in Ärger um.
Dass Carl nichts von sich hören ließ, war eine Sache. Aber warum antworteten die Kinder nicht auf ihre SMS? Kapierten sie nicht, dass sie sich Sorgen machte?
Es war bereits spät am Vormittag, sie konnte also sicher sein, das die Kinder nicht mehr schliefen. Sie nahm den Hörer in die Hand und
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