Aschenputtel: Thriller (German Edition)
handelte sich offenbar um eine Krankenakte von jemandem namens Sara Lagerås. Eine kurze Nachricht an Fredrika lag auch dabei: » Die Akte wird nach fernmündlicher Einverständniserklärung durch Sara Sebastiansson geschickt. Freundliche Grüße, Sonja Lundin.«
Ellens Neugier war geweckt. Was hatte sie alles verpasst, als sie am vorigen Abend als Erste gegangen war?
Als Fredrika am Sonntagmorgen wach wurde, war ihr Kopf bleischwer. Sie streckte sich nach dem Wecker. Noch zehn Minuten bis zum Klingeln. Sie versuchte, den Kopf, so tief es ging, ins Kissen zu drücken. Muss ausruhen, muss ausruhen.
Als sie eine Stunde später die Wohnung verließ, fiel ihr ein, dass sie sich immer noch nicht mit der Nachricht vom Adoptionszentrum auf ihrem Anrufbeantworter befasst hatte. Sie redete sich ein, dass es ein zu wichtiger Entschluss war, über den man nicht eben nebenbei nachdenken konnte, während man gleichzeitig in einer derart schweren und umfangreichen Polizeiermittlung steckte.
Fredrika musste sich auf die Arbeit konzentrieren. Sie fuhr auf direktem Wege zu Magdalena Gregersdotter und rief sie von unterwegs an, um sie auf ihren Besuch vorzubereiten. Sie bat darum, mit Magdalena allein sprechen zu dürfen.
Als ihr eine große, dunkelhaarige Frau die Tür öffnete, fragte sie: » Magdalena Gregersdotter?«
Doch die Frau schüttelte den Kopf. » Ich bin Esther, Magdalenas Schwester«, stellte sie sich vor und hielt Fredrika ihre kühle Hand hin.
Esther führte Fredrika ins Wohnzimmer der Familie.
Sauber und ordentlich, dachte sie. Keinerlei Anzeichen, dass nach dem Tod des Babys die Welt und die Wohnung aus den Fugen geraten wären. Fredrika fand das bewundernswert.
Esther bat sie, im Wohnzimmer zu warten, und ließ sie allein zurück.
Es öffneten sich einem so viele Häuser, wenn man als Polizistin klingelte. Es schwindelte sie fast bei dem Gedanken, welch ungeheuren Vertrauensvorschuss sie allein durch ihre Tätigkeit genoss.
Dann kam Magdalena Gregersdotter ins Zimmer, und Fredrika wurde mit einem Mal in die Wirklichkeit zurückgeholt.
Magdalena war ein völlig anderer Typ Frau als Sara Sebastiansson. Diese Frau würde niemals ihre Fußnägel blau lackieren. Ihre Haltung und Ausstrahlung zeugten von einem völlig anderen Hintergrund und einer anderen Lebenserfahrung als bei Sara. Wenn diese Frau erzählte, dass sie im Bad ihrer Eltern eine Abtreibung durchgeführt hätte, würde Fredrika ihr kaum glauben können.
» Können wir uns setzen?«, schlug sie sanft vor. Zumindest hoffte sie, dass es sanft klang. Sie wusste nur allzu gut, wie eckig sie in solchen Situationen wirken konnte.
Sie setzten sich, Magdalena ganz außen auf die Sofakante, Fredrika in einen riesigen Sessel. Er war bunt gemustert, ein Leuchtfeuer vor den weißen Wänden. Fredrika wusste nicht, ob sie ihn schön oder schrecklich finden sollte.
» Sind Sie… weitergekommen?«
In Magdalenas Blick lag ein Flehen.
» Ich meine… in den Ermittlungen. Haben Sie jemanden gefunden?«
Jemanden. Dieses magische Wort, das jeden Polizisten jagte. Jemanden finden. Jemanden verdächtigen. Jemanden festnehmen.
» Nein, noch nicht. Aber wir haben eine Spur, von der wir glauben, dass sie für die Ermittlungen entscheidend sein könnte.«
Magdalena nickte. Gut, gut.
» Aus diesem Grund bin ich hier«, fuhr Fredrika fort, um einen Anfang zu machen. » Ich habe eigentlich nur eine einzige Frage an Sie.«
Sie fing den schweifenden Blick der anderen Frau ein, machte eine Kunstpause, um sich zu vergewissern, dass sie Magdalenas ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
» Es handelt sich um eine sehr private Frage, und es ist wirklich unangenehm, dass ich sie stellen muss, aber…«
» Ich sage Ihnen alles«, unterbrach Magdalena sie mit fester Stimme. » Alles.«
» Okay«, sagte Fredrika und war sehr erleichtert. » Okay.«
Sie holte tief Luft.
» Ich wüsste gern, ob Sie jemals eine Abtreibung haben vornehmen lassen.«
Magdalena starrte sie an.
» Eine Abtreibung?«, echote sie.
Fredrika nickte bestätigend.
Magdalena senkte ihren Blick nicht.
» Ja«, antwortete sie heiser. » Das ist lange her. Fast zwanzig Jahre.«
Fredrika wartete gespannt.
» Ich war gerade von zu Hause ausgezogen. Ich war mit einem fast fünfzehn Jahre älteren Mann zusammen. Er war verheiratet, hatte aber versprochen, seine Frau meinetwegen zu verlassen.«
Magdalena gab ein verbittertes Lachen von sich.
» Aber das tat er natürlich nicht. Stattdessen geriet er in
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