Aschenputtel: Thriller (German Edition)
herzugehen und ihr eine richtige Abreibung zu verpassen, und zwar ein für alle Mal. Was glaubte sie eigentlich, wer sie war, ihn zurechtzuweisen?
Doch dann riss er sich zusammen. Fredrika hatte durchaus recht, sie ermittelten in einem Mord. Aber sie war es und nicht er, die dies die ganze Zeit über nicht respektiert hatte, und er würde sich gewiss nicht auf ihr Niveau hinabbegeben. Und erst recht würde er nicht zulassen, dass sie ihm die Laune verdarb. Immerhin hatte er im Gespräch mit, oder besser: gegen Ylva Oberwasser gehabt. Da würde er sich doch nicht von irgendeiner pampigen Kollegin runterziehen lassen.
Bei der Erinnerung an das Gespräch mit Ylva schauderte es ihn. Sie war gelinde gesagt außer sich gewesen, und das war auch nicht besser geworden dadurch, dass keiner seiner Kollegen, die sie im Verlauf der Nacht angerufen hatte, hatte sagen können, wo er sich aufhielt. Ylva hatte schon erwogen, ihn als vermisst zu melden, und Peder war zutiefst dankbar, dass sie es nicht getan hatte, sondern stattdessen auf dem Sofa eingeschlafen war. Er hatte versprochen, dass sie ein vernünftiges Gespräch führen würden, sobald er nach Hause kam, hatte sie gleichzeitig aber auch über die neuesten Entwicklungen in ihrem Fall in Kenntnis gesetzt. Wahrscheinlich würde er auch an diesem Abend spät kommen.
Es hatte Ylva geradezu erschüttert und sogar irgendwie besänftigt, als sie erfahren hatte, dass das Kind ermordet aufgefunden worden war. Sie hatte sofort Verständnis für seine Arbeit gezeigt. Aber es hatte trotzdem nicht so geklungen, als wäre sie voll und ganz davon überzeugt, dass er die ganze Nacht gearbeitet hatte. Er musste ganz einfach lernen, besser zu lügen. Oder aufhören, Pia Nordh zu treffen. Ehrlich gesagt glaubte er nicht, dass ihm eins von beidem gelingen würde, aber es war nie falsch, etwas Ehrgeiz zu zeigen.
Und dann hatte Jimmy angerufen und ihn gebraucht. Er war beunruhigt und ängstlich gewesen. Zusammen mit den anderen aus seiner Wohngruppe sollte er einen Kochkurs besuchen und hatte von Peder wissen wollen, ob das gutgehen konnte.
» Natürlich geht das gut!«, hatte Peder überschwänglich ausgerufen. » Du schaffst doch alles!«
» Sicher?«, hatte Jimmy gefragt, immer noch nicht wirklich überzeugt.
» Aber klar.«
Und dann waren die Erinnerungen gekommen. Erinnerungen aus einer Zeit, als noch alles anders gewesen war– als Jimmy derjenige gewesen war, der sich etwas traute, und Peder der Feigling.
» Ich kann so hoch schaukeln, wie ich will, Pedda! Höher als alle anderen!«
» Glaub ich nicht, glaub ich nicht, glaub ich nicht!«
» Doch, Pedda, höher als alle anderen in der Straße!«
Wenn Jimmy gesund hätte aufwachsen können, dachte Peder, wäre er dann auch der Stärkere von ihnen beiden geblieben? Oder wäre er mit der Zeit sanfter geworden?
Peder konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Jimmy war wohl der einzige Mensch auf der ganzen Welt, den er als Erwachsener nie im Stich gelassen hatte. Aber auf der anderen Seite gab es auch keinen anderen Menschen, dem er so viel schuldete. Und vielleicht auch keinen anderen, den er so vorbehaltlos liebte.
Die Unterlagen für den Staatsanwalt waren fast fertig. Noch ein paar einfache Handgriffe, und die Sache war eingetütet. Sobald er seinen Kollegen in Gabriel Sebastianssons Firma abgesetzt hatte, wollte er selbst hinter Fredrika her zu dessen Elternhaus fahren. Man bekam schließlich nicht jeden Tag die Chance, eine echte Bonzenvilla zu durchsuchen.
Jetzt, nachdem einige Zeit vergangen war, seit er so brutal aus dem Schlaf gerissen worden war, bewegten sich die Gedanken schon etwas geschmeidiger in Peders Kopf. Er hatte eine Unmenge an Flüssigkeit zu sich genommen und mehrere Aspirin eingeworfen. Ob er wohl mit dem Auto zu den Hausdurchsuchungen fahren konnte? Eher nicht. Aber welcher Polizist würde schon auf dem Weg zu einer Hausdurchsuchung kontrolliert werden? Wer hatte denn so ein Pech? Peder Rydh bestimmt nicht, davon war er überzeugt.
Ellen Lind war vollkommen verstört. Sie hatte fest damit gerechnet, dass Lilian Sebastiansson wieder zu ihrer Mutter zurückgebracht würde. Aber jetzt, da sich herausgestellt hatte, dass sie ermordet worden war, reagierte Ellen zutiefst erschüttert. Obwohl er tags zuvor erschreckend barsch gewesen war, versuchte sie, ihren Freund auf dem Handy zu erreichen, geriet aber nur auf die Mailbox.
» Das ist die Mailbox von Carl, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem
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