Aschenputtel: Thriller (German Edition)
Ärger ihr Gesicht. Ihr Blick verfinsterte sich.
» Wir haben uns in der Oberstufe angefreundet«, erzählte sie. » Meine Eltern hatten sich gerade getrennt, und ich hatte die Schule wechseln müssen. Sara und ich waren im selben Deutschkurs gelandet und hatten drei Jahre lang denselben Deutschlehrer.«
Sie zupfte ein wenig an den Blumen, die vor ihr auf dem Tisch in einer Vase standen. Fredrika fiel auf, dass ihr nicht einmal ein Glas Wasser angeboten worden war.
» Ich weiß nicht, welche Informationen für Sie interessant sind«, sagte Maria dann gedehnt. » Sara und ich waren schon kurze Zeit später wirklich enge Freundinnen. Ihre Eltern hatten damals auch gerade eine Krise und stritten ziemlich viel. In dieser Situation fanden wir uns. Eigentlich waren wir beide die klassischen braven Mädchen, die anderen im Unterricht Stifte ausliehen und die Störenfriede doof fanden.«
Als Maria aufsah, merkte Fredrika, dass ihre Augen feucht waren.
Sie trauert, dachte Fredrika. Deshalb ist sie so reserviert. Sie betrauert die Beziehung, die sie und Sara einmal hatten.
» In der Neunten fing Sara an, sich zu verändern«, fuhr Maria fort. » Sie schien plötzlich das Bedürfnis zu haben zu rebellieren. Sie fing an, sich zu schminken, trank Alkohol und machte mit Jungs rum.«
Maria schüttelte leicht den Kopf.
» Ich glaube, sie war sich selbst leid. Es war auch ziemlich schnell wieder vorbei, ungefähr zur gleichen Zeit, als ihre Eltern wieder zueinanderfanden. Ich glaube, die hatten eine Weile getrennt gelebt, aber ich bin mir nicht sicher. Wie auch immer, im Großen und Ganzen wurde es wieder gut. Und dann wechselten wir aufs Gymnasium und sorgten dafür, dass wir in dieselbe Klasse kamen. Und wir entschieden, was wir nach dem Abitur werden wollten: Dolmetscherinnen bei den Vereinten Nationen.«
Maria lachte herzlich über diese Erinnerung, und Fredrika lächelte.
» Waren Sie so sprachbegabt?«
» Ja, oh ja, unsere Deutsch- und Englischlehrer haben uns sehr gelobt.«
Maria wurde wieder ernst.
» Aber dann gab es einen neuen Konflikt bei Sara zu Hause. Ihre Eltern wechselten die Gemeinde, und Sara bekam Probleme mit den neuen strengen Regeln, die plötzlich zu Hause herrschten.«
» Die Gemeinde?«, fragte Fredrika erstaunt.
Maria hob die Augenbrauen. » Ja, die Gemeinde«, wiederholte sie. » Saras Eltern waren bei den Pfingstlern, und das war zunächst auch gar kein Problem. Aber dann hat sich eine Gruppe aus der Gemeinde abgespalten und eine schwedische Form einer amerikanischen Freikirche gegründet. Sie nannten sich › Kinder Christi‹ oder so ähnlich.«
Fredrika hörte interessiert zu.
» Und worin genau lag dabei der Konflikt mit ihren Eltern?«, fragte sie.
» Ach, eigentlich war das einfach nur dumm«, seufzte Maria. » Ihre Eltern waren trotz ihres strengen Glaubens immer sehr liberal gewesen. Sie hatten nie ein Problem damit gehabt, wenn wir ausgingen oder so. Aber nachdem sie sich dieser neuen Gemeinde angeschlossen hatten, veränderten sie sich und wurden radikaler. Viel restriktiver, was Kleider, Musik und Partys anging. Sara kam mit dieser Veränderung nicht klar. Sie weigerte sich, an den Gemeindeveranstaltungen teilzunehmen, was ihre Eltern zunächst akzeptierten, obwohl der Pfarrer sie dazu drängte, mit härterer Hand vorzugehen. Aber für Sara war das nicht genug, sie wollte die Grenzen noch weiter ausdehnen.«
» Mit noch mehr Alkohol und Freunden?«
» Mit noch mehr Alkohol und Freunden und Sex«, seufzte Maria. » Wir waren schließlich genau in dem Alter… Ich glaube, als sie damit loslegte, waren wir gerade im zweiten Jahr in der Oberstufe. Sie war also nicht zu früh dran oder so. Aber es war doch beunruhigend, dass sie, nur um ihre Eltern zu ärgern, die Typen derart offensiv anzumachen begann.«
Fredrika merkte, wie sie selbst unter dem Tisch die Beine überschlug. Sie selbst hatte erst nach dem achtzehnten Geburtstag mit ihrem ersten Freund geschlafen.
» Egal«, fuhr Maria fort, » dann traf sie jedenfalls einen richtig guten Typen. Ich war zu der Zeit mit dem besten Freund ihres Typen zusammen, und wir wurden zu einer kleinen Gang, die immer zusammen war.«
» Wie sind Saras Eltern damit umgegangen, dass sie einen Freund hatte?«
» Zuerst wussten sie natürlich gar nichts davon. Und dann… Ja, dann glaube ich, fanden sie es ganz okay. Sara wurde ruhiger, und sie hatten ja schließlich keine Ahnung, mit wie vielen sie vorher schon zusammen gewesen war. Wenn sie
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