Aschenputtel: Thriller (German Edition)
Pathologe.
Alex hielt inne. Was hatte der Mann da gerade gesagt?
» Sie sprechen die ganze Zeit von Tätern, als handelte es sich um mehrere Personen«, bohrte er nach.
» Ja«, antwortete der Pathologe.
» Aber wie kommen Sie darauf?«, fragte Alex.
» Da muss ich wirklich um Entschuldigung bitten, ich dachte, Sie hätten diese Information bereits in Umeå erhalten«, sagte der Arzt schnell.
» Welche Information denn?«
» Der Körper des Mädchens war bis auf die Wunde am Kopf völlig unverletzt. Sie ist keiner äußeren Gewalt ausgesetzt gewesen, und sie wurde auch nicht sexuell missbraucht.«
Alex seufzte erleichtert.
» Aber«, betonte der Arzt, » auf ihren Armen und Beinen sind deutliche Blutergüsse. Vermutlich hat sie Widerstand geleistet, als jemand versuchte, sie festzuhalten. Das eine Paar Hände, das sie festhielt, war sehr klein, wahrscheinlich die Hände einer Frau. Aber an den Oberarmen des Mädchens sind größere Blutergüsse zurückgeblieben, die aussehen, als rührten sie von sehr viel größeren Händen her. Wahrscheinlich die eines Mannes.«
Alex’ Brust zog sich zusammen.
» Dann sind sie also zu zweit?«, fragte er. » Ein Mann und eine Frau?«
» Wahrscheinlich schon, aber ich kann da natürlich nicht ganz sicher sein.« Alex hörte das Zögern des Arztes. Dann fuhr er fort: » Außerdem müssen die Blutergüsse einige Stunden vor dem Tod des Kindes entstanden sein. Vielleicht als der Kopf rasiert wurde.«
» Die Frau hat sie festgehalten, während der Mann sie kahl rasierte«, sagte Alex vorsichtig. » Lilian hat zu viel Widerstand geleistet, und da haben sie getauscht. Die Frau hat rasiert, und der Mann hielt sie fest.«
» Ja, das könnte sein«, sagte der Arzt.
» Das könnte sein«, flüsterte Alex.
Als Fredrika Bergman in Uppsala ankam, war das Bild von der Frau, die Sara Sebastiansson in Flemingsberg aufgehalten hatte, schon in den Medien verbreitet worden. Fredrika hörte die Nachricht im Radio, als sie vor der Wohnung von Maria Blomgren das Auto parkte.
» Die Polizei sucht jetzt eine Frau, die sich in…«
Fredrika stellte den Motor ab und stieg aus. Die Medien verfolgten den Fall Lilian minutiös. Noch waren den Medien nicht alle widerwärtigen Details des Falls bekannt, doch das würde früher oder später natürlich so kommen. Und dann würde die Hölle los sein, so viel war klar.
In Uppsala war es wärmer als in Stockholm. Das hatte Fredrika schon während ihrer Studienzeit immer gedacht. Im Sommer war es immer etwas wärmer und im Winter ein bisschen kälter. Als besuchte man einen anderen Erdteil.
Die Begegnung mit Maria Blomgren weckte Fredrika aus ihren Fantasien. Maria Blomgren wirkte nämlich durchaus so, als würde sie vom selben Erdteil stammen wie Fredrika selbst. Wir sehen uns sogar ein wenig ähnlich, dachte sie. Dunkles Haar, blaue Augen. Maria hatte vielleicht ein wenig rundere Wangen, war etwas größer und hatte dunklere Haut. Ihre Hüften waren breiter und runder.
Sie hat bestimmt Kinder, dachte Fredrika automatisch.
Ansonsten machte Maria eine noch ernstere Miene als Fredrika. Sie schenkte Fredrika erst ein schmales Lächeln, nachdem sie deren Polizeimarke gesehen hatte. Ein schmales, kleines Lächeln, ohne die Zähne zu zeigen.
Andererseits gab es auch nicht viel Grund zur Freude. Alex Recht hatte Maria Blomgren im Vorhinein angerufen und ihr erklärt, worum es ging. Sie hatte gesagt, dass sie wohl kaum etwas zu erzählen hätte, dass sie aber natürlich mit der Polizei zusammenarbeiten wollte.
Sie setzten sich an den Küchentisch. Sandfarbene Wände, weiße Mosaikkacheln, Designerküche. Der Esstisch hatte die Form einer Ellipse, und die dazugehörigen Stühle waren hart– und weiß. Von den Wänden abgesehen war fast alles in der Küche weiß. Alles wirkte pedantisch geputzt und klinisch sauber.
So ganz anders als Sara Sebastianssons Wohnung, dachte Fredrika. Es war schwer vorstellbar, dass die beiden Frauen einmal beste Freundinnen gewesen sein sollten.
» Sie haben Fragen zu unserem Sommer in Umeå, nicht wahr?«, kam Maria ohne Umschweife zur Sache.
Fredrika suchte in ihrer Handtasche nach Papier und Stift. Marias Absicht war nur allzu deutlich: Sie wollte zwar selbstverständlich mit der Polizei zusammenarbeiten, die Sache ansonsten aber so schnell wie möglich erledigt wissen.
» Erzählen Sie mir, wie Sie und Sara Freundinnen wurden, wie Sie sich kennenlernten.«
Erst zögerte Maria. Dann überzog kaum spürbar ein Hauch
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