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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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diesem Untergrund sicher fühlen. Es ist nicht ganz einfach, sich aufrecht zu halten,geschweige denn, jemanden von hinten anzugreifen. Er muss es sehr genau geplant haben.
    Wieder sehe ich mich um, aber das Moor liegt ruhig da, so wie es das seit Jahrhunderten tut. Von der Aufregung der Menschen um es herum bleibt es unbeeindruckt.
    Nach zehn Minuten anstrengendem Fußmarsch durch das unwegsame Gelände hören wir die Leute vom Scherbenberg bereits, bevor wir sie sehen, denn irgendjemand hat einen Ghettoblaster mitgebracht, aus dem ohrenbetäubender Techno dröhnt. Lautes Stimmengewirr schwebt zu uns herüber, und als wir den festen Grund am Fuß des Walls erreichen, geht Tobi wieder voran. Aschegeruch weht uns entgegen, und oben angekommen sehen wir als Erstes das Lagerfeuer, dessen Flammen hoch in die Luft schlagen. Wenn es dunkel wird, kann man es sicher weit sehen. Ein paar Jungs springen begeistert zur Musik hin und her, während zwei Mädchen Bratwürste übers Feuer halten.
    Als der Erste uns sieht, reißt er die Arme in die Luft und grölt ein unverständliches Willkommen, das offenbar Tobi gilt. Danach verharren alle regungslos, sie auf der einen Seite, wir auf der anderen, und ich frage mich, ob das Monster vielleicht schon einen von ihnen im Visier hat und ob es sie nicht gruselt, auf diesem Platz zu stehen, an dem die Überfälle stattgefunden haben.
    Dann tritt ein Junge mit einem rot-schwarz gestreiften Hoody auf Tobi zu und legt ihm den Arm um dieSchulter. In der anderen Hand hält er eine halb leere Flasche Bier. Er schwankt schon merklich, vermutlich ist es nicht seine erste Flasche.
    Mit einem zufriedenen betrunkenen Grinsen fragt er: »He, Tobi, Kumpel. Wie geht’s dir?«
    »Okay.« Tobi steckt die Hände in die Taschen und zieht die Schultern hoch, wobei der Arm runterrutscht.
    Aber der Junge scheint es gar nicht zu bemerken, sein Grinsen verschwindet genauso schnell, wie es entstanden ist, und macht einer ebenso übertriebenen Trauermaske Platz. »Mensch, das mit deiner Schwester tut mir leid. Ist doch Scheiße, Mann.« Betrübt schaut er in seine Flasche, bevor er sie vollkommen unvermittelt in die Luft streckt, dabei Tobi fast die Nase rammt und brüllt: »Auf Nina!«
    Es antwortet ihm ein Chor aus Gebrüll, der mich zusammenzucken lässt. Die Wärme des Feuers reicht bis zu uns herüber und der Schweiß läuft mir am Nacken herunter.
    »Wer ist das?«, fragt der Typ und starrt mich an, als wäre ihm meine Anwesenheit eben erst in diesem Augenblick aufgefallen.
    »Harper«, sage ich und er blinzelt mich irritiert an.
    »Is das’n Jungsname?«
    »Seh ich vielleicht wie ein Junge aus?«
    Sein Blick wandert an mir auf und ab, bis Tobi ihn mit dem Ellbogen anrempelt und »Reiß dich zusammen, Karsten« murmelt. Er ist zwar einen halben Kopf kleinerals dieser Typ und auch nur halb so breit, aber irgendetwas in seiner Stimme bringt diesen Karsten dazu, den Blick von mir abzuwenden. Allerdings steht er daraufhin bedröppelt neben uns und kratzt sich am Kopf.
    »Ich glaube nicht, dass wir aus dem viel rauskriegen«, flüstere ich Tobi zu, der entschuldigend die Hände hebt.
    Zum Glück kommt in diesem Augenblick eins der Mädchen vom Feuer zu uns herübergeschlendert und sie wirkt deutlich nüchterner. Sie hat ungefähr meine Größe, schönes blondes Haar, das ihr in einem schräg geschnittenen Pony ins Gesicht fällt, und pinkfarbene Fingernägel aus dem Nagelstudio, mit denen sie vermutlich jemanden aufspießen kann.
    »Hallo, Tobi«, haucht sie und klopft ihm mit der Spitze ihres Zeigefingers zweimal auf die Brust. »Du hast dich lange nicht mehr blicken lassen.«
    Aha, die kennen sich wohl besser, denke ich, aber Tobi macht keinerlei Anstalten, auf den Ton einzugehen. Stattdessen nickt er nur langsam, als müsse er selbst erst einmal darüber nachdenken, wann er das letzte Mal hier war.
    »Das ist Harper«, sagt er, doch das Mädchen wirft mir nur einen kurzen, abschätzigen Blick zu. Offenbar stelle ich keine Gefahr dar, denn sie entlässt mich mit einem kurzen Nicken aus ihrer Aufmerksamkeit. Ich bin eben nur so mit, nicht weiter interessant für sie.
    »Wir sind hier, weil wir mit euch mal über Nina reden wollen«, erklärt Tobi, und das bringt das Mädchen dazu, einen Schritt zurückzugehen.
    Sie schüttelt den Kopf und wirft kurze Blicke zu den anderen, die nicht näher kommen. Wahrscheinlich hören sie aber, was wir reden.
    »Da gibt’s nichts weiter«, sagt sie. »Von uns hat ja keiner

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