Aschenwelt
beförderte das vibrierende Gerät ans Tageslicht. »Meine Mum«, sagte sie nach einem Blick auf den Bildschirm. Sie ging dran. »Hallo! ⦠Ja, ⦠du, bin grade ⦠ja ⦠ja ⦠na gut ⦠ja, bis später ⦠tschüss!«
»Und?«
»Meine Mum.« Jo machte ein entschuldigendes Gesicht. »Ich muss los. Sie hat Kuchen gebacken, und wenn ich da nicht auftauche, ist sie tief beleidigt. So ist sie.«
»Schade.«
»Ja.« Jo überlegte kurz und sagte dann: »WeiÃt was? Ich nehm dich einfach mit!« Sie klatschte vor lauter Ãbermut in die Hände.
»Und deine Mutter? Die kennt mich doch gar nicht.«
»Die überraschen wir einfach!«
»Das ist mir unangenehm.«
»Ach was. Die ist immer so alleine und freut sich über Gesellschaft.«
»Weià sie denn von mir?«
»Nein. Aber dann schon.« Jo grinste.
»Ich weià nicht â¦Â«
»Auf jetzt! Ich bin mit dir auch an die Elbe!«
»Ich glaub, dass ich lieber in meine Bude gehe«, sagte Nadeschda. »Ist mir echt peinlich, so uneingeladen bei deiner Mutter aufzuschlagen und dann auch noch gleich als deine neue Freundin vorgestellt zu werden.«
»Wenn du mich liebst, kommst du jetzt mit«, sagte Jo.
Nadeschda blickte sie einen Atemzug lang überrascht an. »Bist du immer so erpresserisch?«
Jo zuckte mit den Achseln. »Wenn nichts anderes hilft?«
»Miststück.«
Jo nickte und grinste von einem Ohr zum anderen.
»Na gut«, willigte Nadeschda schlieÃlich ein. »Aber ich will nachher kein Gejammer hören, wenns schief geht.«
Auf dem Weg zu ihrem Elternhaus stellte sich Jo vor, wie ihre Mutter reagieren würde. Als sie damals Anne zum ersten Mal mit nach Hause gebracht hatte, auch unangekündigt, war ihre Mutter wenig begeistert gewesen. Inzwischen hatte sie sich aber damit abgefunden, nie Enkel haben zu werden. So schwer es ihr gefallen war, das zu akzeptieren. Und jetzt wurde sie nicht müde, Jo immer wieder darauf anzusprechen, ob sie nicht endlich jemanden gefunden hätte. Jo redete sich stets damit heraus, dass sie keine Zeit für solche Sachen hätte und überhaupt alleine sehr glücklich sei. Und sie habe doch Kevin. Aber der sei doch kein wirklicher Ersatz, meinte ihre Mutter. Themawechsel, bitte.
Als sie an ihrem alten Zuhause angelangt waren, öffnete Jo das Eisentor und trat auf die geschotterte Auffahrt. Nadeschda blieb am Tor stehen und blickte mit unverholenem Unglauben auf das Haus.
»Was ist?«, fragte Jo. »Noch nie ne Villa gesehen?«
Nadeschda klappte ihren Mund wieder zu, ihren Blick weiterhin auf die Villa von Jos Familie geheftet.
»Jetzt komm schon, so schön ist die alte Kiste jetzt auch nicht.«
»Ich wusste nicht, dass deine Eltern reich sind! Das ist ja ein Schloss!«
Jo winkte ab. »Mir bedeutet dieser Reichtum nichts«, behauptete sie. »Das Haus ist seit über einem Jahrhundert in Familienbesitz. Oder noch länger. Irgendeiner meiner Vorfahren hat es gebaut, war Seefahrer.«
»Und was machen deine Eltern? Muss doch ein Schweinegeld kosten, das Ding zu verhalten.«
»Die waren Rechtsanwälte.«
»Waren?«
»Ja, mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben â¦Â«
»Das tut mir leid.«
»Mir auch.« Jo zwängte ein Lächeln hervor. »Und meine Mutter hat damals, als ich in der Klinik war, ihren Job aufgegeben, um sich um mich zu kümmern. Seit ich wieder halbwegs auf eigenen Beinen stehen kann, arbeitet sie ehrenamtlich bei einer Drogenberatung auf dem Kiez und lebt vom Erbe meines Vaters.«
»Cool.«
»Was?«
»Dass sie sich für sowas einsetzt!«
»Ja, find ich auch.« Jo musste zugeben, dass sie nie gedacht hätte, einmal so stolz auf ihre Mutter sein zu können. Damals war ihr Verhältnis nicht das beste gewesen.
Sie gingen Hand in Hand über den knirschenden Schotter, stiegen die Stufen zur Haustür hinauf, und Jo klingelte. Nur Sekunden später öffnete ihre Mutter die Haustür und trocknete sich noch schnell die Hände an einem Geschirrtuch.
»Du bist schon da!«, rief sie freudig aus und stockte, als sie Nadeschda erblickte. »Oh, du bist in Begleitung?«
»Ja, Mama. Das ist Nadeschda. Meine Freundin.«
Das Gesicht ihrer Mutter strahlte plötzlich und sie streckte Nadeschda ihre Hand entgegen.
»Hallo Nadeschda. Ich bin Johannas
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