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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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ohne dass ich ihr etwas erklären musste. Ich sagte: »Kannst du kurz kommen?«
    Draußen grüßte sie Charles kurz angebunden.
    »Hallo, Julia«, sagte er. »Du musst mit mir kommen.«
    »Aber mein Geschäft!«, flüsterte sie.
    »Darum kümmere ich mich«, beruhigte ich sie und öffnete ihr die Wagentür.
    Anders als sonst stellte meine Mutter keine weiteren Fragen. Sie wollte gar nicht wissen, was los war. Sie setzte sich in den Wagen und wartete, bis ich die Tür zuschlug.
    Sie sagte nur: »Wir sehen uns später, Schatz.«
    Charles machte mir ein Zeichen, das heißen sollte: Ich rufe dich an. Ich verabschiedete mich von den beiden.
    Als ich dem Wagen nachblickte, spürte ich einen dunklen Schatten, der sich über meine Gedanken legte und nicht mehr weichen wollte. Meine Mutter durfte auf keinen Fall in diese Angelegenheit verstrickt werden. Ich hatte keine Ahnung, wohin Charles sie bringen würde, wichtig war nur, dass es weit weg war. Weit weg von der Stadt und jedem anderen Ort, den Ludkar auf seinem Weg durch das Feuer erreichen konnte.
    In der Apotheke würden die beiden Angestellten alles bestens regeln. Nun musste ich noch Christine und Leonard in Sicherheit bringen. Ich wusste, dass sie nicht damit einverstanden wären, die Stadt zu verlassen, und dass ihre Eltern es nicht erlauben würden, aber ich musste es versuchen.
    Ich simste ihnen, sofort ins alte Kino zu kommen. Ich sagte, es sei dringend, die Sache müsse sofort geklärt werden.
    Keiner der beiden wohnte besonders weit weg, und ich ging davon aus, dass sie es in weniger als einer halben Stunde schafften. Ich eilte durch den Park und konzentrierte mich auf die Hinweise, die ich hatte, um meinen Vater zu finden. Nichts. Ich hatte nichts. Verstaubte Kartons und eine Schlossruine.
    Dennoch hatte ich das Gefühl, dass die Lösung nah war.
    Wahrscheinlich lag sie in der Eisenschatulle, die wir nicht öffnen konnten.
    Als ich zwischen den Bäumen hindurchging, blieb ich vor der Kirche zu meiner Rechten stehen. Auf den Stufen pickten Tauben nach Krumen, und ein Bärtiger bettelte um Münzen. Ich sah zu dem Turm und in den blauen Himmel hinauf.
    Bitte, lieber Gott!, dachte ich. Wenn es Dich gibt und wenn Du nicht allzu beschäftigt bist, hilf mir! Der Tag ist zu schön, als dass etwas so Schreckliches passieren dürfte. Beschütze mich vor dem Bösen!
    Die Glocken schlugen elf Mal. Es war nicht die beste Antwort, die ich erwarten konnte, aber da ich die Letzte in der Schlange war, musste ich mich wohl erst hinten anstellen, bis meine Gebete vielleicht erhört werden würden.
    Ich warf dem Bärtigen einen letzten Blick zu, wühlte in meinen Taschen und fand ein bisschen Kleingeld für ihn.
    Dann rannte ich weiter und verließ den Park.
    Das alte Kino war nur zwei Häuserblocks entfernt. Als ich auf die Hintertür zuging, hörte ich meinen Namen. Ich drehte mich um – Christine und Leonard kamen über die Straße auf mich zu.
    »Na, was gibt’s denn so Eiliges?«, wollte Christine wissen, als sie bei mir war.
    Ich nahm den Schlüssel und schloss das Vorhängeschloss auf.
    »Wir sind in großer Gefahr«, flüsterte ich mit zitternden Händen. »Wir müssen vorsichtig sein.«
    Ich drückte die Tür auf, und wir betraten den großen, dunklen Saal. Ich suchte nach dem Lichtschalter und drückte ihn nach oben, aber als das Licht anging, zischte der große Lüster an der Decke, flackerte kurz auf und ging dann aus.
    »Verdammt!«, schrie ich.
    »Immer mit der Ruhe!«, meinte Leo, als die Notlichter angingen.
    Die kleinen schwachen Lampen an der Wand erhellten den Raum nur mäßig. Es war gespenstisch. Man sah gerade genug, um zu begreifen, wo man stand. Hätten Christine und Leonard nicht gesprochen, ich hätte sie nicht auseinanderhalten können.
    »Also?«, sagte Christine und ließ sich auf einen Sitz fallen. »Sagst du uns jetzt, was das Problem ist? Was ist die große Bedrohung, die über unseren Köpfen hängt?«
    »Ludkar!«, sagte ich noch immer im Stehen.
    »Hat er es dir übel genommen, dass du ihn sitzen gelassen hast?«, wollte Leo wissen.
    »He, he!«, rief ich. »Woher weißt du denn das?«
    Christine streckte die Hand hoch.
    »Meine Schuld.«
    Ich schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit für Dummheiten.
    »Hört zu! Ludkar hat mich angelogen. Er ist ein Monster. Ein Wesen, das nichts Menschliches an sich hat. Er hat mich benutzt!«
    »Ohne dich auszuziehen?«, feixte Leo.
    Ich war so angespannt, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt

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