Ascheträume
Wasser zu spritzen.
»Da ist er! Auf dem Dach!«, schrie ich und deutete auf Ludkar.
Mit weit aufgerissenem Maul und ausgebreiteten Armen stürzte sich der Vampir auf uns. Der Wasserstrahl traf ihn mit voller Wucht, und Ludkar verteilte sich über den Garten wie ein Tintenklecks.
Charles.
Ich konnte noch immer nicht glauben, was ich gesehen hatte. Nein, es konnte nicht wirklich passiert sein! Es konnte einfach nicht sein, dass ich ihn von diesem Tag an nie mehr wiedersehen, nie mehr mit ihm sprechen, ihn nie mehr umarmen würde.
Es durfte nicht sein.
Nicht Charles. Er hatte so viel Leben in sich und hätte es niemals zugelassen, dass Ludkar ihn tötete.
Als ich zusammen mit Leonard und Christine im Auto saß und zusah, wie die Stadt sich in der Nacht entfernte wie ein Schwarm Sternschnuppen, fielen mir Nates Worte wieder ein: »Dann werden wir ihn im Cinerarium wiedersehen.«
Hoffentlich hatte er recht. Aber in meinem tiefsten Inneren spürte ich, dass es nicht so war. Er konnte nicht im Cinerarium sein. Wäre er von einem Vampir getötet worden, dann ja, dann wäre sein Blut in dessen Adern geflossen und seine Seele hätte sich nicht ganz von der Erde entfernt. Aber Charles hatte kein echter Vampir getötet, sondern ein Körper aus Asche. Und das konnte nur bedeuten, dass Charles tot war.
Er war im Nichts und konnte nie mehr zurückkehren.
Eine Träne kullerte über meine Wange.
Die Nachricht von Charles’ Tod, die ich meinen Freunden kurz zuvor überbracht hatte, machte alle unsäglich traurig.
Wir fühlten uns verloren, als würden wir ohne Führer durch ein Minenfeld laufen.
Christine war gleich wieder ins Haus gegangen, hatte die Autoschlüssel genommen, ohne ihre Mutter zu fragen, und sie Leo zugeworfen. Er hatte sich ans Steuer gesetzt und den Motor angelassen. Christine und ich hatten uns auf den Rücksitz gesetzt und uns in den den Armen gehalten.
Ich hatte die Landkarte nicht mehr gehabt, aber Leo fand den Weg auch so: Er musste nur den Namen der Grotte wissen, gab Moon’s Cave in das Navigationsgerät ein, und danach mussten wir uns um nichts mehr kümmern.
Wir hatten uns auf den Weg gemacht. Und nun fuhren wir auf einer schwarzen, unbekannten Landstraße durch die Nacht. Einzig die weißen und gelben Striche, die diesen Albtraum begrenzten, kamen mir bekannt vor.
Als Leo hörte, dass Christine und ich aufgehört hatten zu weinen, drehte er sich zu uns um und fragte: »Thara, willst du wirklich nicht wissen, was ich über die Raffinerie herausgefunden habe?«
Ich trocknete mir die Augen, sagte aber nichts.
Ein Lastwagen fuhr auf der linken Spur an uns vorbei.
Leo berichtete: »Sie liegt genau an dieser Straße, keine zwei Kilometer von hier. Vor zwei Jahren ist sie abgebrannt und wurde wiederaufgebaut …«
Ich beugte mich zwischen den beiden Vordersitzen nach vorne.
»Leo, ich will, dass dieser Bastard für alles bezahlt, was er uns angetan hat!«, flüsterte ich ihm leise ins Ohr. »Wenn du die Raffinerie siehst, halt an.«
Die Feuer aus dem Kamin tauchten kaum eine Minute später in der Dunkelheit auf. Mir war, als würde ich in den Flammen dämonische Fratzen kommen und gehen sehen. Ich glaubte sogar, Gelächter zu hören und Charles’ Schreie.
Leo fuhr langsamer.
Auf der einen Straßenseite war die Umzäunung der Raffinerie, auf unserer Seite gab es eine Tankstelle und ein Lokal. Leo parkte auf dem Platz davor.
»Also, was machen wir?«
»Feuer lässt sich mit Feuer bekämpfen«, sagte ich wütend.
»Gut.« Leo öffnete die Wagentür. »Wartet hier auf mich.«
Wir stiegen alle drei aus, aber Leo ging mit einem Rucksack weiter zu den Toiletten.
Christine und ich betrachteten die Straßenlaternen, um die Wolken kleiner Fliegen wirbelten.
»Bist du sicher, dass du es tun willst?«, fragte sie.
Ich sah sie ernst an. Wegen ihrer Tränen war ihre Schminke im Gesicht verlaufen.
»Ja, Christine. Wenn wir es jetzt nicht tun, werden wir nie frei davon sein.«
In diesem Augenblick kam Leo zurück. Sein Rucksack schien auf einmal Tonnen zu wiegen.
»Was ist da drin?«, wollte Christine wissen.
Er machte ihr ein Zeichen, still zu sein, und wir überquerten die Straße.
Wir gingen am Zaun entlang und folgten einer Biegung. Als wir eine dunkle Ecke erreichten, wo man uns nicht sehen konnte, öffnete Leo den Rucksack.
Er hatte einen Feuerlöscher aus der Toilette geklaut, und eine Zange, die uns nun sehr nützlich sein würde.
»Was machen wir wegen der Überwachungskamera?«,
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