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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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entgegengesetzten Richtung zu durchlaufen.
    Der folgende Abschnitt gab mir die Antwort:
    »Eine Seele bleibt so lange in der Großen Aschewüste gefangen, wie der Körper in der Welt lebt. Stirbt der Körper, wird die Seele von der Asche verschlungen und versinkt im Nichts, in der Welt der Toten, aus der es kein Zurück mehr gibt. Kommt der Körper aber wieder zu Kräften, fliegt die Seele auf und gleitet durch den schwarzen Mond an ihren früheren Platz zurück.«
    Das zu lesen war eine wahre Erleichterung. Also gab es noch Hoffnung für alle! Aber diese Grauen, die Aschemenschen – von denen war noch nicht die Rede gewesen.
    »Wenn eine Seele zu lange in der Großen Aschewüste gefangen bleibt und nicht tüchtig ist, ergreift die Große Aschewüste Besitz von ihr. Die Seele verwandelt sich in eine Kreatur aus Staub und verliert ihr Wesen. Kehrt eine Staubseele in den Körper zurück, kennen wir das als Wahnsinn.«
    Ein leises Lachen entfuhr mir. Das Handbuch des erfahrenen Reisenden im Cinerarium erwies sich als wirklich nützlich.
    Ich besah mir noch einmal die Illustration, und dieses Mal fiel mir auf, dass es neben dem Tunnel, der den Geist des Menschen mit dem schwarzen Mond verband, noch zwei weitere Verbindungen gab.
    Die erste bestand zwischen einem roten und einem violetten Feuer. Die zweite zwischen einem violetten Auge und einer Blume von derselben Farbe, ähnlich einer Iris. Bei beiden handelte es sich augenscheinlich um zwei separate Zugänge zum Cinerarium.
    Ich suchte den Begleittext zu den Darstellungen.
    »Was in der Welt der Lebenden verbrennt, setzt sich in der Großen Aschewüste wieder zusammen. Der Weg führt durch die Flammen. Das rote Feuer zerstört die Dinge, das violette Feuer erschafft sie wieder.
    Das ist die zweite Pforte zwischen den beiden Welten, denn die Wesen können nicht ins Jenseits gelangen. Da sie keine Seele haben, haben sie auch keinen Zugang zur Welt der Toten.«
    Nun kam der interessante Teil, der mich direkt betraf:
    »Die dritte Pforte ist allein Dämmerwesen vorbehalten, Geschöpfen mit violetten Augen. Diese Seiten wurden von einem der Ihren verfasst.«
    Ich sah, wie das Blatt anfing zu zittern. Mir wurden die Arme schwach, meine Hände konnten das Buch nicht mehr halten.
    Dämmerwesen.
    War ich ein Dämmerwesen? Waren wir die Frucht von Menschen und Vampiren? Halbwesen?
    Fiebrig las ich weiter. Ich konnte mich fast nicht auf die Schrift konzentrieren.
    »Dämmerwesen können ihre Seele von ihrem Körper lösen, wenn sie an lilafarbenen Iris riechen. Genau wie das Feuer und die Blumen bestehen ihre Augen aus derselben Substanz.«
    Der Abschnitt ging noch weiter, aber ich musste abbrechen. Ich war zu aufgeregt, um richtig übersetzen zu können und würde später fortfahren. Ein ganzes Kapitel war einzig und allein den Dämmerwesen gewidmet.
    Ich atmete tief durch.
    Bevor ich die Konzentration ganz verlor, wollte ich noch eine letzte Information. Ich wollte wissen, warum ich zu Asche wurde, wenn Nate mich berührte.
    Schnell blätterte ich weiter, ohne darauf zu achten, ob ich die Seiten beschädigte, bis ich eine Illustration fand, wo genau die Situation dargestellt war, die ich mit Nate erlebt hatte: Eine Person berührte eine andere und verwandelte sie in einen Grauen.
    Darunter stand:
    »Gefühle sind in der Großen Aschewüste ein Quell des Bösen. Man sollte für einen dort Gefangenen nichts empfinden. Die Berührung eines Liebenden kommt einem Blitzschlag gleich. Wenn die Seelen Gefühle hegen, verlieren sie Kraft und der Prozess der Verwandlung in Staubwesen wird beschleunigt.«
    Das Buch glitt mir aus der Hand und schlug neben meinen Füßen mit einem dumpfen Knall auf den Boden.
    Nate liebte mich, das war es, was das Buch mir sagen wollte.
    Ich wehrte mich nicht mehr dagegen, dass meine müden Augen zufielen.
    Im Dunkel meiner Gedanken nahm ich einen bitteren Geschmack wahr. Ich drückte die Hände an meine Brust. Ich fühlte mich klein und fror. Zitternd schlang ich die Arme um meine Beine, mein Herz schlug langsam und gleichmäßig, aber mit einer unmäßigen Wucht. Ich dachte, es würde platzen. Das Buch hatte recht. Auch ich hatte mich in Nate verliebt. Ich hegte tiefe und unbeschreibliche Gefühle für ihn, die im Verborgenen geblieben waren wie ein Riese im Gebirge. Jeder Moment, den wir zusammen verbracht hatten, war intensiv und unvergesslich gewesen. Und ich spürte, dass noch unendlich viele solcher Momente kommen würden. Nates Anwesenheit

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