Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
lächelte. »Meine Nichte ist schon ganz anderen tödlichen Fallen entkommen. Bitte, Euch bleibt nicht viel Zeit. Ihr müsst ihn aufhalten.«
Ash machte ein entschlossenes Gesicht und zischte: »Savage ist so gut wie tot.«
Vibheeshana antwortete nicht. Ein letzter Hauch entkam seinen Lippen. Dann war der Dämonenfürst, Bruder Ravanas und letzter König Lankas, tot.
Kapitel 54
»Savage!« Ash stürmte durch die Halle. »SAVAGE!«
Es gab nur einen einzigen Ausgang. Ash raste auf den krummen Torbogen zu, als der Oberbalken der Saaldecke einknickte, splitterte und das ganze Dach sprang. Kurz darauf brach ein Wasserfall daraus hervor, gut zwanzig Meter hoch. Schaum und Gischt spritzten auf und durchnässten Ash bis auf die Haut. Vibheeshanas Tod hatte ihm neue Kraft verliehen, seine Wunden geschlossen und seinem Zorn zusätzliches Feuer verliehen.
»Savage!«
Der Gang vor ihm wurde von zischelnden Lampen erhellt. Mit einem Ruck kippte der Boden zur Seite ab, sodass Ash sich an der Wand abstützen musste. Plötzlich strömte laut zischend Wasser aus der Wand, die bereits weitere Risse bildete.
Wir werden alle ertrinken.
Doch vorher würde er Savage unschädlich machen. Sein Onkel, seine Tante, Gemma und Vibheeshana – alle tot, nur wegen dieses Wahnsinnigen.
Und seinetwegen. Er hatte sie auf den Pfad der Vernichtung geführt.
Warum sich dem Schicksal in den Weg stellen? Du bist der Kali-Aastra. Du bist der Todbringer.
Seine Finger umschlossen Parvatis Urumi fester. Weil er sein Katar nicht hatte finden können, hatte er sich kurzum für ihre Waffe entschieden. Zwei der Klingen fehlten, doch auch so war es immer noch tödlich genug.
Vor ihm war ein Licht – nicht die züngelnden Flammen einer Fackel, sondern ein helles, klares und stetig blassblaues Leuchten. Ash ging langsamer. Vorsichtig wickelte er die beiden Messerblätter des Urumi zu einer lockeren Schlaufe auf. Er wollte vermeiden, dass Metall über Metall schrammte und Savage vorwarnte.
Die Tür vor ihm stand gerade weit genug offen, damit Ash in den Raum dahinter spähen konnte. Ravanas Schatzkammer. Das Licht spiegelte sich in einer Vertäfelung aus Bronze, in die herrliche Szenen mit wunderschönen Nymphen und mächtigen Dämonenfürsten geprägt waren. Die Tafeln waren mit prächtigen Juwelen besetzt, die um die Wette funkelten. Leise schlüpfte Ash durch die schmale Lücke.
Die Decke bestand aus Millionen kleiner Kristalle und es war, als würde man das Innere eines Diamanten betreten. Auf dem Teppichboden lagen Goldmünzen, Schmuck und Edelsteine verstreut. Achtlos in die Ecken geworfene Kronen setzten Staub an und dienten als Behausung für zahlreiche Spinnen. Ashs nackte Zehen versanken im schimmligen, mit Algen bewachsenen Teppich, der jeden Laut seiner Schritte auf der Stelle schluckte. Selbst das Donnern der einstürzenden Halle und das Tosen des Meeres hinter ihm wirkten gedämpft und fern.
Ein Stück weiter machte die Wand einen Knick. Das blassblaue Schimmern hatte seinen Ursprung irgendwo dahinter. Ash trat darauf zu und wagte einen vorsichtigen Blick.
Die Luft knisterte. Aus einer schwarzen Fläche an der gegenüberliegenden Wand drangen mit Funken durchsetzte Nebelschlieren – es war ein gigantisches rundes Schriftstück auf festem Leinenstoff, das in einen Rahmen aus Eisen gespannt war.
Das Schwarze Mandala.
Das schillernde Schwarz war verziert mit ebenfalls schwarz glänzenden Mustern. Konzentrische Kreise, die sich zu drehen und gleichzeitig vor und zurück zu schweben schienen, hielten Ashs Blick gefangen. Jeder Kreis wurde von winzigen Gestalten bewacht, von Dämonen und anderen, sogar noch abscheulicheren Wesen, sodass Ash vom bloßen Anblick die Augen schmerzten. Von dem Gemälde ging ein mächtiges Summen aus, das etwas tief in Ashs Seele zum Schwingen brachte und ihn magisch anzog. Fast vergaß er das Atmen, so verzaubert war er von dem Mandala. Es saugte alles in sich auf, wie eine nimmersatte Leere, die alles verschlang. In den Ornamenten des Bildes erkannte Ash ganze Galaxien, Sterne, die endlosen Tiefen des Universums, als beherbergte das Mandala all das in sich. Doch verborgen in dieser undurchdringlichen Schwärze fühlte Ash noch etwas anderes, etwas, das jenseits der Grenzen der Existenz lauerte.
Vor dem Mandala hockte Savage. Er hatte Ash den Rücken zugedreht und die Fußknöchel auf die Knie gelegt. In der klassischen Yoga-Lotus-Position meditierte er, alle Aufmerksamkeit auf das Gemälde gerichtet. In
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