Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
allein. Parvati tätschelte den Diamanten in ihrer Tasche. »Das haben wir gut hingekriegt, Ash.«
»Du reist ab?«
»Je schneller ich den Koh-i-Noor fortbringe, desto besser.« Sie küsste ihn leicht auf die Wange. Die Berührung war flüchtig und kurz.
Es fühlte sich nach zu wenig an.
»Parvati …«
Sie lächelte. »Es war schön, dich wiederzusehen, Ash. Pass auf dich auf.«
Sie überquerte die Straße und eilte zu Khan, der auf sie wartete. Dann verschwanden die beiden im Londoner Nebel.
Kapitel 8
»Wo hast du denn gesteckt?«, wollte Josh wissen, als Ash durch die Tore zum Park lief. »Es ist gleich neun.«
»Du hast Glück, dass ich überhaupt hier bin.« Ash machte eine wegwerfende Geste. »Musste noch was erledigen.« Eigentlich hatte er mit dem Bus zurückfahren wollen, aber wegen der dicken Nebelschwaden war es zu einem Unfall gekommen, der den Verkehr zum Stillstand gebracht hatte. Also war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich dem Schneckentempo der normalen Menschen anzupassen und den Weg zu Fuß zu gehen.
»Na ja, bisher war es eh eine gigantische Zeitverschwendung«, murrte Akbar durch den Schal, der sein halbes Gesicht verdeckte. Zitternd und schlecht gelaunt stand er in seinem Wintermantel da und fror. »Dir ist schon klar, dass wir nur wegen dir hier sind, oder?«
Ganz London war in undurchdringlichen Dunst getaucht, der alles jenseits von drei Metern hinter einer weißen Wand versteckte. Es war, als wäre man in einer Geisterwelt gestrandet.
Trotz des schlechten Wetters fand das geplante Feuerwerk statt. Man hörte Pfiffe in der Dunkelheit und von irgendwoher erschallte gedämpft eine Explosion. Allerdings konnte man außer Nebel nichts sehen, keine Farben und schon gar kein Feuerwerk.
»Ist sonst noch jemand hier?«, fragte Ash.
Josh zuckte mit den Schultern. »Das ist das unknalligste Guy-Fawkes-Fest aller Zeiten.«
Kleine Gruppen Schaulustiger drifteten durch die weißen Schwaden, tauchten auf und verschwanden wieder. Die meisten waren Familien mit Kindern, die Wunderkerzen schwangen, doch Ash erkannte auch ein paar Leute von seiner Schule.
»Was ist das denn?« Er hörte etwas, ein entferntes, dumpfes Brüllen.
»Da vorn.« Josh hatte es entdeckt.
Durch die milchigen Dunstwogen drang ein verwaschenes orangefarbenes Glühen. Als Ash darauf zuschritt, strömte ihm durch die kalte Nachtluft Hitze entgegen. Um sie herum zeichneten sich immer mehr dunkle Schatten ab, die wie Geister aus dem trüben Weiß erstanden.
An der Absperrung blieb Ash stehen.
Vor ihnen kämpfte ein überdimensioniertes Lagerfeuer gegen den erdrückenden Nebel an. Meterhoch züngelten die lodernden Flammen in die Nacht. Selbst hinter dem gespannten Seil, gut sechs Meter von dem Feuer entfernt, ließ die Hitze Ash schwitzen. Monströse Rauchwolken stiegen in den Himmel und Millionen winziger Glutflocken tanzten wie höllische kleine Kobolde im Luftzug, den das Feuer entfachte.
Nur das Licht der Flammen reichte nicht viel weiter als bis an die Absperrung. Dahinter herrschte Dunkelheit, drängte sich um das lebendige Feuer und lauerte darauf, dass die Flammen erloschen, damit sie alles vollkommen in Anspruch nehmen konnte. Vollständiges Vergessen.
»Habt ihr Gemma irgendwo gesehen?«, fragte Ash.
Josh schlug sich gegen die Stirn. »Ich wusste doch, da war noch jemand. Ja, sie hat den ganzen Abend nach dir gesucht.«
»Wo ist sie?«
»Keine Ahnung. Ist vielleicht schon heimgegangen.«
Ganz toll. Und er hatte noch nicht einmal ihre Handynummer!
Eine weitere völlig nutzlose, weil unsichtbare Rakete explodierte. Die Umstehenden brachen in ironischen, halbherzigen Jubel aus.
Ein kalter Wind kam auf und brachte die Flammen zum Wanken. Die ausstrahlende Hitze wärmte nur, was dem Feuer zugewandt war. Ashs Rücken spürte den eisigen Hauch deutlich.
»Ich hole mir einen Burger. Sonst noch jemand?«, fragte Josh.
»Ich komme mit«, beschloss Ash.
Im Dulwich Park gab es einen kleinen Imbiss, der für die frierende Menge dieser Nacht Burger, Ofenkartoffeln und Getränke bereithielt. Während sie darauf zuliefen, trafen sie immer mehr Menschen. Offenbar hatten alle ein größeres Interesse an Essen und Trinken als an dem Feuerwerk.
Schon von Weitem roch Ash das Aroma von gebratenem Fleisch, hörte das Brutzeln von Zwiebeln und spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er bahnte sich einen Weg durch die Menschenmasse und stöberte in seinen Taschen nach Kleingeld.
»Hi, Ash.«
Gemma
Weitere Kostenlose Bücher