Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
bräuchte dazu einen Schal?«
Natürlich nicht. Parvatis Gift war tödlich für Menschen, Dämonen und vermutlich sogar Götter. Ein einziger Biss würde völlig genügen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Ash, wie viele Menschen sie in ihrem langen, langen Leben schon getötet hatte.
»Kennst du die Legende von der Entstehung der Thugs?«, fragte sie.
»Steht in England nicht auf dem Lehrplan.«
»Kali kämpfte gegen einen schrecklichen Dämon. Er war so mächtig wie Ravana und sie war ganz auf sich gestellt. All die anderen Götter waren geflohen.« Parvatis Blick verlor sich in der Ferne. Ash hatte nicht den Eindruck, als würde sie nur eine Geschichte erzählen, die sie irgendwo gelesen oder gehört hatte. Es war, als würde sie in ihre eigene Vergangenheit tauchen.
Sie fuhr fort. »Da war sie also und stach auf diesen Rakshasa sein. Doch sie konnte ihn nicht bezwingen. Aus jedem Tropfen Blut, den sie vergoss, wuchs ein neuer Rakshasa. Sie war ihnen unterlegen.«
»Und was hat sie gemacht?«
Parvati fuhr sich mit einer Hand über den Arm. »Aus ihrem Schweiß erschuf die Göttin zwei Menschen. Dann riss sie einen Streifen Stoff aus ihrem Kleid, um ihn den beiden zu geben. Damit töteten sie jeden einzelnen Rakshasa.« Parvati vollführte eine Drehung mit ihren Fäusten. »Indem sie sie strangulierten.«
»Und sie töteten, ohne Blut zu vergießen.«
Parvati nickte. »Die Thugs wurden als Dämonenmörder erschaffen. Um dem Weg Kalis zu folgen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie raffgierig, kleinlich und korrupt. Sie setzten ihre Fähigkeiten ein, um Menschen aus dem Hinterhalt zu ermorden und auszurauben. Aber den großen Zusammenhang siehst du noch nicht.«
»Und der wäre?«
»Die ersten beiden Menschen, die sie erschaffen hat, waren Kali-Aastras.« Parvati seufzte. »Die Thugs glaubten daran, dass sie übernatürliche Kräfte entwickeln würden, wenn sie nur genug töteten, die richtigen Rituale durchführten und die wichtigen Omen beachteten. Sie glaubten, dass sie selbst zu Kali-Aastras werden könnten, indem sie mordeten. Sie wollten werden wie die Ersten aus Kalis Schöpfung. Wie du.«
Kali liebt den Tod. Das hatte man ihm schon vor Ewigkeiten gesagt. Er selbst hatte durch den Tod neue Kraft gewonnen, warum also sollten die Thugs nicht an genau das glauben? Waren die Thugs nicht ebenso wie er Diener Kalis?
»Ich bin aber kein Thug«, sagte Ash.
»Doch, Ash. Kali hat dich erschaffen, um Dämonen zu töten, genau wie die ersten beiden Thugs. Du bist ihre Waffe, ihre rechte Hand. Die Hand, die vernichtet.«
»Auch wenn ich diese Macht habe, heißt das ja noch lange nicht, dass ich sie benutze.«
Sie lächelte matt. »Ich weiß, Ash. Aber der Kali-Aastra lässt dir womöglich keine Wahl. Je stärker deine Kräfte werden, desto mehr wird er von dir verlangen.«
»Und Ujba? Ist er auch ein Thug?«
»In gewisser Weise. Er kennt all die alten Rituale und Künste. Er versteht besser als jeder andere, wozu der Kali-Aastra in der Lage ist. Allerdings sind seine Ziele nicht deine Ziele. Er verehrt Kali auf eine Art, die nicht sonderlich von Nächstenliebe geprägt ist.«
»Er ist ein Killer?«
»Er tötet für seinen Glauben.« Parvati blickte Ash über die Ränder ihrer Brille hinweg an. »Und was das angeht, ist er nicht allein, oder?«
»Aber wie soll er mir dann helfen können?«
»Indem er dir beibringt, deine früheren Leben in den Griff zu bekommen. Denk darüber nach.« Sie tippte Ash an die Schläfe. »Überleg dir, was für Wissen hier drin schlummert. Was für Fähigkeiten. Wenn du lernst, an deine früheren Ichs auf eine kontrollierte Art heranzukommen, könntest du ihre Talente für dich nutzen, alles, was sie wissen. Du sagst, eine deiner Reinkarnationen war Ashoka. Lass nicht zu, dass er die Kontrolle über dich erlangt. Kontrolliere ihn. Wenn du es schaffst, seine Kriegsweisheiten und seine Strategiekünste zu benutzen, kann dich keiner mehr aufhalten.«
Ash ließ sich gegen seine Stuhllehne sinken. »Es wird niemals aufhören, oder?«
Parvati lächelte sanft, schüttelte jedoch den Kopf. »Weder in diesem noch in einem anderen Leben.«
Kapitel 21
Und sie kommen wieder. Ash schreit auf, als die Bilder durch seinen Kopf wirbeln – Erinnerungen, Gefühle und Träume zahlloser Menschen, die er seit Anbeginn der Menschheit gewesen ist.
Er ist ein Soldat und steht an der Verteidigungslinie, während sich der Himmel mit Pfeilen verfinstert.
Er treibt sein Pferd in den Galopp,
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