Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
es einmal im leuchtenden Sonnenlicht, bevor er es zurück an seinen Platz steckte. »Doch vor uns liegt Lanka und der Tag wird nicht jünger. Du und ich, Junge, begeben uns gemeinsam in ein großes Abenteuer.«
»Was nicht bedeutet, dass ich Ihnen über den Weg traue«, stellte Ash klar, der noch immer nicht hundertprozentig sicher war, wie er auf einmal im Team Savage gelandet war.
Ein listiges Lächeln zerklüftete Savages blasses Gesicht. »Natürlich nicht.«
Lanka lag vor ihnen, am Ende eines von den Wellen überspülten Damms. Das Unwetter hatte sich so plötzlich verzogen, wie es gekommen war. Blauer Himmel linste durch die letzten Wolkenfetzen und der Wind zerzauste Ash leicht das Haar. Am Strand brachen sich große Wellen, allerdings nur noch halb so hoch wie vor fünf Minuten.
Lanka glitzerte im Morgenlicht. Die Stadt erweckte den Anschein, als bestünde sie aus Korallen und Fels, nicht erbaut, sondern gewachsen. Die Spitzen und Kanten der Gebäude waren zackig und scharfkantig. Wenn man an diesem Ort nicht aufpasste, wohin man trat, würde man in Stücke gerissen.
»Wunderschön, nicht wahr?«, stieß Savage hervor.
»Und gefährlich«, ergänzte Ash.
»Wie wahr.« Savage verengte seine schwarzen Augen. »Hast du Angst?«
»Wieso sollte ich, wo Sie mir den Rücken decken?«
Jackie knurrte, doch Savage lachte nur, woraufhin sie verstummte und lediglich das Nackenfell aufstellte. »Komm. Wir verschwenden kostbare Zeit«, forderte Savage Ash auf.
Der Engländer stellte seine Gefolgschaft zusammen: Jackie, natürlich, fünf der Hyänen-Rakshasas und fünf Loha-Mukhas. Ein Paar Steinaffen trugen einige schwere, eisenbeschlagene Truhen auf den Köpfen. Dann folgten der sechsarmige Shiva und zwei geflügelte Wasserspeier, die aussahen, als stammten sie direkt vom Dach Notre Dames. Das Ganze wirkte wie eine bizarre Expedition aus dem neunzehnten Jahrhundert: der tapfere weiße Forscher und seine eingeborenen Lastenträger. Ash hätte es nicht einmal gewundert, wenn eine der Truhen ein Teegeschirr enthalten hätte.
»Das brauchen wir alles?«, fragte er.
»Lanka ist sicher nicht ohne Verteidigung. Besser, wir sind vorbereitet. Es wäre doch ein Jammer, wenn dir etwas zustoßen würde.«
»Aber sicher.«
Die Rakshasas führten sie den steilen Pfad zum Damm hinab und beschnüffelten den Weg. Ash hielt sich dicht bei Savage, die Hand griffbereit am Katar, den Diamanten nach wie vor in seiner kleinen Tasche. Die Loha-Mukhas bildeten die Nachhut.
Der Pfad erstreckte sich etwa einen halben Meter über dem Wasser. Wellen schwappten über die verwitterten, mit Algen bedeckten Steine. Merkwürdige Korallengebilde klebten daran und schmückten den Weg mit bunten Pflanzen. Strahlendes Grün, leuchtende Gelb-, Blau- und Goldtöne schimmerten auf und zwischen den rechteckigen Quadern, als wären sie mit Juwelen besetzt.
Ash schloss zu Jackie auf.
»Und, freust du dich schon auf zu Hause?«, fragte Ash.
»Lanka war die prächtigste Stadt der Welt, Sterblicher. Es ist ein heiliger Ort.«
»Könnte einen neuen Anstrich vertragen.«
Jackie warf ihm einen eiskalten, hasserfüllten Blick zu. »Du hast die einzigen zwei Freunde getötet, die ich hatte.«
»Und du hast Gemma umgebracht«, erwiderte Ash mit tiefem, drohendem Unterton.
»Eine Sterbliche? Was hatte sie schon zu bedeuten?« Jackie schnaubte. »Mayar war ein großartiger Rakshasa. Er trug die Häute von Prinzen und verschlang die Augen von Königen. Jat war einer der Vogelfürsten. Gemeinsam haben wir die Toten unzähliger Schlachtfelder gefressen. Aaskönige waren wir. Und du hast sie beide getötet. Du, ein kleines, jämmerliches Kind.«
Auch wenn er war, was er war – oder werden würde –, wollte er nichts und niemanden töten. Doch aus dieser Nähe meinte er, Gemmas Blut an Jackies Krallen riechen zu können.
Jackie legte die Hand auf Ashs Brust und zerkratzte sein Hemd. Direkt hinter ihr standen zwei Hyänen-Rakshasas, die anderen drei hatten es irgendwie geschafft, unbemerkt hinter Ash zu gelangen. Er linste zu Savage, doch der Engländer schenkte ihnen keine Beachtung – auf diese spezielle »Ich weiß, was sich hier abspielt, doch ich gebe vor, ich würde nichts bemerken«-Art.
»Ein Hinterhalt wie im Kindergarten«, meinte Ash. Sein Faustdolch saß noch immer in der Schärpe verstaut. »Ist das dein Ernst, Jackie? Etwas Besseres hast du nicht zu bieten?«
Jackie wusste, wie man grinste, dabei viele Zähne zeigte und eine Menge
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