Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
wecken.
Der gewundene Tunnel verlief einige Hundert Meter weit, obwohl die Wand eigentlich nicht dicker als fünf oder sechs Meter sein konnte. Als Ash sich in den Eingang kauerte, war der Ausgang auf der anderen Seite nicht mehr als ein kleiner Lichtpunkt. Man gewann den Eindruck, als würde man jenseits dieser Schwelle die Realität hinter sich lassen.
In dem durchschimmernden Stein tanzten Lichter. Einige formten eindeutige Umrisse, einige menschlich, andere nicht; andere waberten wie Quallen umher.
Ash schob sich ein paar Meter vorwärts, sein Katar fest im Griff. Der Hyänen-Dämon war wie vom Erdboden verschluckt, lediglich ein roter Fleck an der Wand erweckte Ashs Aufmerksamkeit, allerdings verwässerte er zunehmend, je näher Ash ihm kam. Der Gang zwang Ash in eine unbequeme Hockstellung. Wie ein Krebs bewegte er sich vorwärts, Augen und Ohren wachsam. Er bückte sich tief, um die rauen Ecken und spitzen Kanten der zerbrochenen Korallen zu vermeiden. Dünne Steinstachel ragten aus den Wänden und aus kleinen Rissen tropfte Wasser, das glitzernde Pfützen formte.
»Autsch.« Schmerzhaft verzog Ash das Gesicht, als er in eins der winzigen Wasserbecken trat. Er hüpfte heraus, setzte sich und begutachtete seine Sohle.
In seinem Fuß steckte ein Stück Koralle. Nicht tief, und er zieht es mit Leichtigkeit heraus .
Blut tropft herab.
Dort, wo der Tropfen den Boden berührt, wachsen neue Korallen. Mit jedem Augenblick werden sie dicker und bilden Äste aus, von denen ein jeder mit nadelspitzen Dornen besetzt ist. Steinspitzen mutieren zu Messern, deren gezackte Klingen einzig dazu gemacht sind, Fleisch zu schneiden. Innerhalb von Sekunden ist der Tunnel von einem dicken, tödlichen Dornengestrüpp blockiert, sowohl vor als auch hinter ihm. Ash greift nach einem Ast, doch sofort sprießen weitere Dornen und durchbohren seine Handflächen. Gefangen, unfähig, vor- oder zurückzugehen, schaut er entsetzt und hilflos zu, wie unter und über ihm lange Spieße wachsen. Er schreit auf, als sie sich in seine Glieder und seinen Oberkörper bohren. Blut ergießt sich aus seinen Wunden, aus dem noch mehr der blutdürstigen Gestrüppe wachsen. Zwei kleine spitze Nadeln schieben sich mit glitzernder Spitze aus der Wand und auf seine Augen zu …
Ash rieb sich die Stirn und betrachtete dann seinen Fuß sowie das Stück Koralle, das aus der Sohle ragte. Er hatte einen Blick in die Zukunft geworfen: Blut aktivierte eine Falle. Der Hyänen-Rakshasa musste sich ebenfalls einen Splitter eingetreten oder sich an einer der scharfen Kanten geschnitten haben, das war hier drin keine Kunst. Und je mehr Blut floss, desto schneller wuchsen die todbringenden Ranken. Vorsichtig zog Ash den kleinen Dorn heraus und wickelte sich seinen Schal um den Fuß. Er musste noch vorsichtiger sein und aufpassen, wohin er trat – jedenfalls nicht mehr in Pfützen.
Langsam kroch er weiter, Schritt für Schritt, wobei er um jede Kante und jede Spitze einen weiten Bogen machte. Dicke, heiße Schweißperlen tropften von seiner Stirn, rannen über sein Hemd und seine Glieder, während er sich auf den Weg konzentrierte. Es machte nicht den Anschein, als würde Ash dem Ende auch nur ein kleines Stück näher kommen. Wie lange war er schon hier? Minuten? Stunden?
Auch seine Hände und Fußsohlen waren schweißbedeckt. Die Feuchtigkeit durchtränkte den Schal und als Ash prüfend den Fuß hob, entdeckte er einen schwachen roten Abdruck auf dem Stein.
Beweg dich, Ash, lauf!
Die Unterarme schützend vor sich gehalten, stürmte er los, als bereits die ersten dünnen Korallenäste ihren Weg in den Tunnel fanden. Ash walzte durch die frisch gewachsenen Zweige und zertrümmerte sie, bevor sie zu kräftig wurden, doch dadurch war er schon bald von Dutzenden von Schnitten übersät. Stalaktiten, spitz wie Speere, wuchsen aus der Decke. Einer erwischte ihn am Rücken, während von unten Stalagmiten in die Höhe schossen und seine Sohlen ritzten.
Brüllend hechtete Ash durch den Tunnel, der sich mit Hunderten von Zähnen füllte, wie eine gigantische Schlange, die das Maul schloss, um ihn zu verschlingen. Der Ausgang lag direkt vor ihm, ein helles Licht, das Leben und Freiheit versprach. Doch wenn ihn nur ein einziger Haken erwischte, war er tot.
Taumelnd stürzte Ash aus der Öffnung, als der Gang sich hinter ihm schloss. Mit dem Gesicht voran fiel er auf warmen, sonnenbeschienenen Fels. Seine Kleider hingen in Fetzen von seinem zerkratzten und blutenden
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