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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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in dem kleinen, ländlichen Dorf seinen Dienst getan, still und vergessen, und auch mit diesem Leben war er zufrieden gewesen. Simon hatte damals ja auch gesagt, alles wäre aus und vorbei, und er hatte recht behalten.
    Manchmal träumte Bruder Jean-Pierre auch von den Wochen, die er zusammen mit Simon in jenem letzten Winter in Paris verbracht hatte, versteckt in einem Keller, der durchdrungen gewesen war vom kalten Geruch dichten Kohlenstaubs. Simon hatte ihn gerettet, hatte ihm Trost zugesprochen, hatte ihn gepflegt, als sein Auge allmählich verheilte.
    Es war sein Fehler gewesen. Er war unvorsichtig gewesen. Und darum hatten sie ihn zusammen mit der Nonne geschnappt, die als geheimer Kurier für die Resistance gearbeitet hatte. Er hatte die anderen mit vorgehaltener Waffe so lange in Schach halten können, bis die Nonne auf ihrem Fahrrad die Straße hinauf hatte entkommen können, aber dann waren sie über ihn hergefallen, hatten ihn überwältigt und ihn zusammen mit Simon in die Scheune gebracht. Und in dieser Scheune hatten die Deutschen sich dann mit ihm zu ›beschäftigen‹ angefangen, wie sie es genannt hatten. Mit ihm und mit Simon. Sie hatten Simon ausgepeitscht, bis er das Bewußtsein verloren hatte, bis das Fleisch auf seinem Rücken so zerfetzt gewesen war, daß man die Knochen sehen konnte, und dann hatten sie ihre Aufmerksamkeit ihm, Jean-Pierre, zugewandt.
    Sie hatten sich zwei Tage lang mit ihm beschäftigt, hatten ihn verschnürt wie eine Rinderhälfte und mit den Armen auf dem Rücken an einem Fleischerhaken aufgehängt, und dann hatten sie schließlich geglaubt, er wäre fertig, erledigt. Ja, als der Gestapomann gekommen war, der Verhörspezialist, und das Messer ins Feuer gehalten hatte, bis es rotglühend gewesen war, und wie sie dann seinen Kopf festgehalten und der Gestapomann ihm mit dem Messer tief ins Auge geschnitten hatte, von oben nach unten und von links nach rechts, ja, da hatten sie geglaubt, Jean-Pierre wäre erledigt, und darum hatten sie ihn vom Seil geschnitten und ihn achtlos liegenlassen, neben der Blutlache, in der Simon gelegen hatte, mehr tot als lebendig …
    Aber Jean-Pierre hatte all seine Kraft und seinen Willen zusammengenommen, die ihm noch geblieben waren, und hatte die Heugabel von der Wand gerissen und gewartet, und als sie zurückgekommen waren, hatte er es ihnen gegeben, zuerst dem Corporal, dann dem Gestapomann; er hatte ihnen die Zinken der Gabel in den Leib gerammt, wieder und wieder, das Blut war nur so gespritzt, und er hatte gehört, wie die Rippen brachen und dann, als sie am Boden lagen, das Rückgrat, und dann hatte er es geschafft, Simon aus der Bewußtlosigkeit zu holen, und sie waren aus der Scheune gekrochen, hatten sich immer wieder gegenseitig geholfen, hatten sich bis zu der kleinen Kirche durchgekämpft, wo sie sich immer zur Befehlsausgabe getroffen hatten. Dann hatten sie beide sich im Zwischenboden neben dem Kohlenkeller der Kirche versteckt, in der Kälte und Dunkelheit …
    Manchmal träumte er noch von jenen Tagen.
    Jean-Pierre polierte gerade die hölzernen Kirchenbänke, als er hörte, wie die Tür in den Angeln quietschte, und er sah, wie vor ihm der sorgfältig gebohnerte Holzfußboden im Licht glänzte, das von draußen hereinfiel. Er stand auf, wandte sich um und sah die Umrisse des Mannes im Gegenlicht.
    »Jean-Pierre …«
    Er trat einen Schritt auf die Gestalt zu und beschirmte sein gesundes Auge mit der Hand, um im grellen Rechteck des Türrahmens etwas erkennen zu können.
    Und dann sah er ihn, den hochgewachsenen Mann, dessen Haar nun silbern geworden war. Seine Augen blitzten klar und kalt hinter den runden Brillengläsern. Er sah, wie sich langsam ein Lächeln auf das Gesicht des Mannes legte.
    »August …«
    Der Küster ging zu dem Mann hinüber, schloß ihn in die Arme und gewann endlich die Vergangenheit zurück, seine Vergangenheit, ihre Vergangenheit.
    »Jean-Pierre, Simon braucht deine Hilfe.«

DRITTER TEIL

1 DRISKILL
    Ich war viel zu erschöpft, um mir den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Maschine ich buchen sollte. Hauptsache, sie flog nach Paris, und ich war an Bord.
    Daß ich aus der Wüste, aus dem Kloster der Toten in die wirkliche Welt zurückgekehrt war, bedeutete mehr als einen bloßen Ortswechsel: für mich hatte sich alles total verändert. Meine Gedanken waren wie Messer im Kopf, und die zurückliegenden Ereignisse waren nicht gerade dazu angetan, die Qual zu lindern.
    Ich hatte noch einmal kurz mit

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