Assassini
Street. Val war eine Zeitlang als zukünftige Mrs. O’Neale im Gespräch gewesen. Mir hatte das damals gefallen. Inzwischen hatte ich Peaches seit vier oder fünf Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen, aber er hatte sich nicht verändert. Er trug ein weißes Buttondown-Hemd und eine Tweedjacke. Vinnie Halloran hätte dieser Aufzug bestimmt gefallen.
»Was hat dich denn an den Ort unserer Verbrechen zurückgetrieben?« fragte ich.
»Ich bin Diener des Herrn, Ben. Drüben in New Pru. Ich bin Kaplan an der St. Mary’s.« Er grinste beim Gedanken an Gottes unergründliche Wege.
»Seit wann? Warum hast du mich nicht mal angerufen?«
»Erst seit diesem Sommer. Ich habe deinen Vater getroffen. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Er mußte zweimal hingucken, bevor ihm klar geworden ist, daß ich’s leibhaftig bin. Ich hatte eigentlich erwartet, dich erst Weihnachten zu treffen. Val hat mir erzählt, daß sie vielleicht bei euch auf dem Teich hinterm Obstgarten eine Schlittschuhparty veranstaltet. Sie hat gesagt, ich soll bloß nicht damit rechnen, dich in der Christmette anzutreffen.«
»Da hat sie recht. Ich war seit zwanzig Jahren nicht mehr in der Kirche, wie du verdammt gut weißt.«
Er nahm sich ein Pommes frites von meinem Teller. »Was treibst du dann hier? Dein Vater sagte mir, dich zieht’s nicht sonderlich nach Hause.«
»Allerdings. Wahrscheinlich fragt er sich immer noch, ob ich wirklich sein Sohn bin. Vielleicht hat es auf der Entbindungsstation ja eine Verwechslung gegeben. Das ist die einzige Hoffnung, die ihm geblieben ist.«
»Du bist schrecklich sauer auf deinen alten Herrn, nicht wahr?«
»Nein. Jedenfalls bin ich nicht hierher gekommen, um ihn zu treffen. Val hat mich heute nachmittag von zu Hause angerufen. Hat sich ziemlich geheimnisvoll angehört. Und dringend. Nur deshalb bin ich bei diesem Scheißwetter hierher gefahren. Und was passiert? Sie ist nicht da.« Ich zog die Schultern hoch. »Wann hast du sie getroffen? Was hat es mit dieser Schlittschuhparty auf sich? Ich hasse Schlittschuhlaufen …«
»Als sie auf dem Weg nach Rom letzten Sommer hier Station gemacht hat, sind wir essen gegangen. In Erinnerung an alte Zeiten.« Er nahm sich noch ein Pommes frites. »Ich glaube, du hast recht, was das Geheimnisvolle angeht – da ist irgendwas im Gange, sie hat offenbar ziemlich brisante Nachforschungen angestellt … Sie hat mir aus Rom geschrieben, dann aus Paris.« Sein Gesicht verdüsterte sich für einen Augenblick. »Sie schreibt an diesem monströsen Buch, Ben. Der Zweite Weltkrieg und die Kirche.« Er verzog das Gesicht. »Nicht gerade eine jener Epochen, mit denen die Kirche sich brüsten kann …«
»Aus gutem Grund«, sagte ich.
»Ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich habe nichts damit zu tun. Pius war Pius, und ich war nur ein kleiner Junge in Princeton, New Jersey.«
Er nahm die letzten Pommes frites von meinem Teller und grinste mich an. Ich fühlte eine Woge der Zuneigung und Wärme in mir aufsteigen. Val hatte es damals ziemlich ernst mit Peaches gemeint, hatte gesagt, daß sie ihn vielleicht heiraten werde. Die beiden wurden ein Paar, als Val siebzehn war.
Val, das streng katholisch erzogene junge Mädchen, hatte ziemliche Gewissensbisse gehabt, als sie in einer Sommernacht draußen im Obstgarten ihre Unschuld an Peaches verlor. Später, als sie dann ernsthaft über die Kirche und ein Leben als Nonne nachzudenken begann, hielt Peaches dies für eine vorübergehende Erscheinung. Dann, als Vals Pläne konkretere Formen annahmen, glaubte er, sie würde nur dem Druck nachgeben, den mein Vater auf sie ausübte. Und schließlich gelangte er zu der Ansicht, sie sei schlicht und einfach durchgedreht. Aber Val wollte aus ihrem Leben etwas Besonderes machen – für sich selbst, für die Welt, in der sie lebte, für die Kirche. Kennedy war in Dallas erschossen worden, und Peaches sagte, Himmel noch mal, wenn du die Welt retten willst, dann tritt ins Peace Corps ein. Sie hatte sich gar nicht erst mit ihm herumgestritten. Es gehe nicht darum, daß sie die Kirche brauche, hatte sie gesagt, sondern die arme alte Kirche brauche sie. Val hatte mit ihrem Selbstwertgefühl noch nie Schwierigkeiten gehabt.
Die Ansichten, die Johannes XXIII. vertrat, entsprachen ihren eigenen Vorstellungen, was einen Neubeginn der Kirche nach der Amtszeit Pius’ betraf, den sie als Peinlichkeit – für die Kirche betrachtete. Aber dann schien Johannes’ Nachfolger Paul VI. einen Kurs
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