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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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wollen und können, nachdem ich mich für ein Leben ohne Gott entschieden hatte –, traf ich meine Entscheidungen selbst, in Eigenverantwortung und ohne jeden Einfluß meines Vaters, und es war mir vollkommen gleichgültig, wie er darüber dachte und was er davon hielt. Das waren mein Trost und mein Triumph.
    Ich umging die Außenbezirke Princetons, bog in die zweispurige Asphaltstraße ein, wo ich mit Vaters Lincoln die ersten Fahrversuche gemacht hatte, und bevor ich mich versah, stachen die Scheinwerfer auch schon durch den Vorhang aus Schneeregen und Dunst und hoben die verschwommenen Umrisse des Hauses aus der Dunkelheit. Die lange Auffahrt, die an einer Gebäudeseite zwischen zwei Reihen Pappeln hindurchführte, war von Schneematsch bedeckt, auf dem die Reifen des Wagens ein leises, schmatzendes Geräusch erzeugten. Der kiesbedeckte Wendeplatz war gelb und schmutzig, die Rosensträucher trostlos, einsam und verlassen, als wäre in diesem Jahrhundert niemand zu Hause gewesen. Die niedrige Garage mit dem Giebeldach kauerte bedrückend und finster auf einer Seite des Vorhofs. Niemand hatte zur Begrüßung die Außenbeleuchtung eingeschaltet. Das Wohnhaus selbst lag zu meiner Linken; die Feldsteine der Außenmauern glitzerten im Licht der Scheinwerfer wie Kiesel auf dem Grund eines Bachbetts. Das Haus war dunkel und die Nacht war schwarz, undurchdringlich, durchtränkt von Feuchtigkeit. In der Ferne flimmerten die Lichter Princetons blaßrosa im Schneeregen über den kahlen Baumwipfeln.
    Als ich die dunkle Eingangshalle betrat, rieselten Kälteschauer über meinen Rücken. Ich kam mir hier fremd und einsam vor. Doch als ich den Lichtschalter drehte, flammten die Lampen auf, und alles war so, wie es schon immer gewesen war: der gebohnerte Fußboden aus Eichenparkett, der cremefarbene Stuck, die olivgrünen Wände, die goldgerahmten Spiegel. Ich durchquerte das Foyer und stieg die beiden Stufen zum Long Room hinauf, jenem Zimmer, in dem wir die meiste Zeit gemeinsam zu verbringen pflegten, wenn wir uns hier aufhielten.
    Der Long Room. Einst war er die Schankstube eines aus dem achtzehnten Jahrhundert stammenden Wirtshauses gewesen, um die herum das Wohnhaus erbaut worden war, so daß sie jetzt dessen Zentrum bildete. Einiges erinnerte noch immer an diese längst vergangenen Zeiten: die rauchgeschwärzten Deckenbalken zum Beispiel, oder der verkratzte, von Narben bedeckte, rußige Kamin, ein Meter achtzig hoch und drei Meter breit, oder die schmiedeeisernen Wandhaken für Töpfe und Pfannen. Aber der Raum hatte im Laufe der Jahre immer mehr von seiner Ursprünglichkeit verloren; es war dieses und jenes hinzugekommen: die geblümten Schonbezüge der Möbel zum Beispiel, die Bücherschränke, die scharlachroten und senffarbenen Teppiche, der Kohlenkasten, die hellgelben, ledernen Ohrensessel, die vor dem Kamin standen, die Messinglampen mit den gelben Schirmen, die großen Schalen und kupfernen Töpfe voller Blumen und Zimmerpflanzen und – am hinteren Ende des Zimmers, von wo man auf den Obstgarten und den Bach hinausblicken konnte – die Staffelei, an der mein Vater einige seiner Bilder gemalt hatte. Die zur Zeit dort aufgespannte Leinwand war sehr groß und mit einem kleinen Vorhang abgedeckt.
    Es war kühl im Zimmer; die feuchte Kälte sickerte von draußen herein. Die Asche auf dem Kaminrost war längst erloschen und feucht und roch nach Herbst, nach Vergänglichkeit und Tod. In früheren Zeiten hätte jetzt geschäftiges Leben und Treiben geherrscht; William und Mary hätten für Licht und Wärme und Herzlichkeit gesorgt, hätten das Feuer im Kamin entfacht, mich mit einem Grog begrüßt und das Haus zum Leben erweckt. Aber William war inzwischen tot, und Mary verbrachte ihren Lebensabend in Scottsdale; und das Ehepaar, das mein Vater als neue Hausangestellte beschäftigte, wohnte in Princeton und nicht mehr in den Zimmern im Ostflügel.
    Ich wußte, Val war nicht da. Ich rief dennoch ihren Namen, nur um die trostlose Stille zu durchbrechen, aber meine Stimme verhallte ohne Antwort. Ich ging zum Fuß einer der Treppen, die ins Obergeschoß führten, und rief noch einmal ihren Namen. Ich hörte das altvertraute leise Rascheln von dort oben an meine Ohren dringen wie das Geräusch einer Zeitung, die vom Wind an einem Rinnstein entlanggeweht wird. Die Kälte und der Regen hatten die Feldmäuse aus den Dachvorsprüngen ins Haus getrieben, und jetzt flitzten sie dort oben über die Korridore und versuchten sich zu

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