Assassini
ausgefallensten und gefährlichsten Orten mit D’Ambrizzi getroffen. Das alles war wie ein erregendes Spiel für ihn gewesen, ich hörte es aus seiner Stimme heraus, ein zumeist lebensgefährliches Spiel mit dem Tod, aber schließlich seien sie damals allesamt noch junge Burschen gewesen, und es habe Krieg geherrscht, und man habe eben das Seine tun müssen …
»Du hast Richter gekannt? Er war deutscher Offizier …«
»Sieh mal, mein Sohn, er hat in Paris mit D’Ambrizzi zusammengearbeitet, und ich wiederum mit D’Ambrizzi. Da kann es zu solchen Konstellationen kommen. Aber ich habe, zugegeben, eine ziemlich ungewöhnliche Rolle gespielt.«
»Hat Richter gewußt, daß du OSS-Agent gewesen bist?«
»Natürlich nicht, Ben. Wie stellst du dir das denn vor? D’Ambrizzi hat ihm wahrscheinlich erzählt, daß ich ein harmloser amerikanischer Staatsbürger war, der in Paris vom blitzschnellen Vormarsch der deutschen Truppen überrascht wurde und dann dort in der Falle saß. Ich weiß es nicht …«
»Aber du hättest doch von jedem, der deine wahre Identität kannte, verraten werden können.«
»Na ja, gut, aber nicht an Klaus Richter; ihm war völlig egal, wer ich in Wirklichkeit war oder wer den Krieg gewinnen würde. Er hatte seine eigenen Dinge zu erledigen. Jeder war damit beschäftigt, seinen eigenen kleinen Krieg zu führen. Männer wie LeBecq und all die anderen …«
»Du hast auch LeBecq gekannt?« Es war beunruhigend zu erfahren, daß mein Vater sich genau zu jener Zeit in Paris aufgehalten hatte, als sich die entscheidenden Dinge ereigneten, daß er Richter gekannt hatte, und LeBecq, und daß ich gut vierzig Jahre später seiner Fährte gefolgt war. »Hast du auch gewußt, daß D’Ambrizzi LeBecq getötet hat, weil er die Pius-Verschwörung verraten hatte?«
»Sicher.« Mein Vater schenkte sich Kaffee nach und zündete sich eine Zigarre an. »Die ›Pius-Verschwörung‹, o ja, das war eine verrückte Idee …« Er paffte ein paarmal an der Zigarre. »Wenn es je eine verrückte Idee gegeben hat – das war eine. D’Ambrizzi hat mit dem Feuer gespielt. Es war der helle Wahnsinn.«
»War es wirklich so verrückt?« Wir gingen hinüber in jenen Teil des Wohnzimmers, in dem sich das riesige Panoramafenster in der fast bis zum Boden reichenden Dachschräge befand. Der Wind jagte den Schnee darüber hinweg. In dem aus rauhen, grob behauenen Feldsteinen gemauerten Kamin loderte ein Feuer. Wir setzten uns in tiefen Sesseln einander gegenüber. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein gewaltiger, ausgestopfter Kodiakbär, aufrecht, in Angriffshaltung, die mächtigen Vorderpranken zur tödlichen Umarmung ausgebreitet. »D’Ambrizzi hat mir ziemlich überzeugend dargelegt, daß Pius ein Nazi-Sympathisant gewesen ist, eine Art Kriegsverbrecher.«
»D’Ambrizzi wollte den Papst kaltblütig ermorden. Erscheint dir dieser Plan nicht auch ein klein wenig verrückt? Pius war kein Kriegsverbrecher. Er mußte auf einem Kontinent, der vollständig von den Achsenmächten beherrscht wurde, sehr vorsichtig taktieren. Das Schicksal von Millionen Katholiken lag in Pius’ und Hitlers Händen. Und daß Pius nicht die gleichen Entscheidungen getroffen hat, wie D’Ambrizzi es an seiner Stelle getan hätte, weil die beiden moralisch unterschiedliche Standpunkte vertreten haben was soll’s? D’Ambrizzi hat Tag für Tag mit Nazis verkehrt.« Mein Vater starrte in das Kaminfeuer.
»Auf Pius’ Befehl.«
»Hör mal, Ben. D’Ambrizzi war eine herausragende Persönlichkeit, das will ich ja gar nicht bestreiten. Aber er hatte die Neigung, hin und wieder den wilden Mann zu markieren. Den Papst töten, mein Gott … Aber es ist ja nicht so weit gekommen, und darum …«
Er zuckte die Achseln. Auf eine solche Art und Weise hatte mein Vater sich noch nie mit mir unterhalten: Er zog mich ins Vertrauen, redete von Mann zu Mann mit mir, wie ich es mir immer gewünscht hatte.
»Es ist nie so weit gekommen«, sagte ich, »weil Archduke den ganzen Plan verraten hat. Und D’Ambrizzis Leute sind allesamt getötet worden …«
»Nicht alle.«
»Hattest du jemals mit Archduke zu tun?«
»Ich war nicht in Frankreich, als der Anschlag auf Pius geplant wurde, aber mir sind natürlich gewisse Dinge zu Ohren gekommen. Dann wurde D’Ambrizzi der Boden unter den Füßen zu heiß, und ich mußte ihn schleunigst aus Paris herausschaffen. Ich habe den Burschen gemocht, er war ein fähiger Mann. Der Vatikan war ihm auf den Fersen, also
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