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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Sie nahm meine Hand, sagte ein paar Worte über Val, schüttelte den Kopf; ihr dichtes Haar wogte. Irgend etwas an ihrer körperlichen Präsenz schien das ganze Zimmer auszufüllen und alles andere in den Schatten zu drängen. Sie war hochgewachsen und breitschultrig und trug einen dicken, langen Pullover, der bis weit über die Hüften reichte, einen dunklen Rock und hohe, dunkle Stiefel. Ihre Augen waren ruhig und fest auf mein Gesicht gerichtet, voller Aufrichtigkeit, Offenheit und Energie.
    Sie erzählte mir, daß Kardinal D’Ambrizzi ihr die schreckliche Nachricht überbracht hatte, daß sie die redaktionelle Betreuung der Zeitschrift in die Hände ihrer Kollegin gelegt und ihre Reisetasche gepackt hatte und in die erstmögliche Maschine nach New York gestiegen war. Am Flughafen hatte sie sich in ein Taxi gesetzt und war sofort nach Princeton gefahren. »Ich sterbe vor Hunger«, sagte sie schließlich. »Ich könnte ein ganzes Pferd essen und den Reiter als Nachtisch.«
    Zehn Minuten später saßen wir am Küchentisch. Elizabeth gehörte nicht zu den Frauen, die sich vornehme Zurückhaltung auferlegten, wenn es ums Essen ging. Sie blickte vom Teller auf. »Es ist sozusagen schon morgen früh für mich, wegen der Zeitverschiebung.« Sie schien sich ein vierstöckiges Sandwich aufzutürmen. »Sie sehen, ich finde immer wieder Ausreden für meinen gesegneten Appetit. Das war jahrelang ganz einfach. Ich brauchte ja nur zu sagen, ich wäre noch im Wachstum begriffen. Aber seit ich über dreißig bin, mußte ich mir immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Sie haben nicht zufällig eine Cola?« Sie machte sich über den Senftopf her.
    »Ich fürchte, nein.«
    »Macht nichts. Dann vielleicht ein Bier?«
    Ich holte ihr eine Flasche und machte mir selbst auch ein Sandwich. Als ich fertig war, sagte sie: »Vielleicht darf ich mir noch ein letztes Sandwich genehmigen. Oder wenigstens ein halbes, okay?«
    »Sie haben einen Bierbart, Schwester.«
    »Passiert mir doch immer. Pete’s Tavern. Irvin Place. Kann mich noch erinnern.«
    »Sie auch? Das überrascht mich.«
    »Ach? Wissen Sie, ich bin zwar Nonne, aber ich bin auch ein Mensch und dafür bekannt, daß ich dem Weltlichen zugetan bin. Ich amüsiere mich gern mal, und ich denke auch gern daran zurück. Ben …« Sie öffnete eine weitere Flasche Rolling Rock und schenkte sich nach.
    Meine Schwester war vor zwei, drei Jahren nach New York gekommen, um irgendeine Auszeichnung entgegenzunehmen, die ihr von einer nationalen Frauenvereinigung verliehen worden war. Sie hatte im Waldorf Astoria in einem Saal mit goldenen Säulen eine Rede gehalten, dem gleichen Saal, in dem ich mal an einem Abendessen teilgenommen hatte, mit dem die Yankees nach der Rückkehr aus ihrem Frühjahrs-Trainingslager nach New York begrüßt wurden. Val bewegte sich mit der Souveränität eines Profi-Entertainers aus Las Vegas durch den Saal und schleppte mich in ihrem Kielwasser hinter sich her.
    Nach dem Abendessen und nach ihrer Rede hatte sie es irgendwie geschafft, die Zeit zu finden, mich einer anderen Nonne vorzustellen, einer Freundin aus den Tagen in Georgetown und später in Rom. Sie nahm mich bei der Hand. »Du mußt sie einfach kennenlernen. Ihr beide werdet euch hassen!« hatte sie mir mit einem verschmitzten Lächeln erklärt.
    Die Freundin erwies sich als Schwester Elizabeth, und als erstes fiel mir damals die große Ähnlichkeit zwischen den beiden auf, als sie nebeneinander in der dunkelblauen Lobby des Waldorf vor mir standen. Dichtes, gewelltes Haar, glänzende Augen, beide sonnengebräunt und wie das blühende Leben. Vals Gesicht war ovaler, zarter als das herzförmige, etwas vollere ihrer Freundin. Schwester Elizabeth und ich schüttelten uns die Hand, und als sie mich anlächelte, hatte sie diesen klugscheißerischen, jesuitischen Ausdruck im Gesicht; sie legte den Kopf ein wenig schief, als wollte sie mich herausfordern. Val beobachtete uns erwartungsvoll; zwei Menschen, die ihr sehr viel bedeuteten. Schwester Elizabeth musterte mich interessiert und sagte schließlich: »So, dann habe ich den gefallenen Jesuiten also doch noch kennengelernt.«
    Ich warf einen raschen Blick zu Val. »Offensichtlich hat meine schwatzhafte Schwester unsere ganze Familiengeschichte ausgebreitet.«
    Elizabeth lachte, und ihre Ironie wurde von Herzlichkeit überdeckt. »Wir werden Val nicht den Gefallen tun und uns hassen, einverstanden?«
    »Gern. Aber wir sind für alle Fälle gewarnt.«
    Nach

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