Assassino
unterhalten konnte.
Liebte er sie? Diese Frage hatte sich Kati schon oft gestellt, aber nie eine klare Antwort darauf gefunden. Wenn er sie liebte, würde er sie bestimmt keiner Gefahr aussetzen. Jedenfallsnicht wissentlich. Aber jetzt befand sie sich in Gefahr und er druckste herum. Was sollte sie daraus für einen Schluss ziehen?
»Es ist wirklich nichts«, unterbrach er ihre Gedanken. »Du weißt doch, immer wenn es um alte Artefakte geht, sind die Geier nicht fern. Denk nur an die Grabräuber in Ägypten. Und dann dein merkwürdiger Retter, der so plötzlich aufgetaucht und wieder verschwunden ist … «
»Wir suchen doch lediglich nach einer etruskischen Kleiderspange«, wandte Kati ein. »Wer sollte denn daran Interesse haben?«
»Vergiss nicht, dass die Fibelscheibe einer legendären Persönlichkeit gehört haben soll«, erwiderte er. »
Wir
wissen, dass ihr materieller Wert gering ist. Wer sich mit der Geschichte nicht so gut auskennt oder abergläubisch ist, könnte hingegen annehmen, es handele sich um einen Gegenstand, den man für gutes Geld verkaufen kann.«
Ein kühler Windhauch kam vom Meer her und Kati fröstelte. Sie zog ihre Jacke enger um den Körper. Chris kam um die Ecke des Gebäudes, wo er ihr Auto geparkt hatte.
»Chris ist da. Ich muss jetzt rein«, sagte sie.
»Pass auf dich auf! Und sag mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, einen Anwalt oder Leibwächter. Ich glaube, ich würde mich besser fühlen, wenn du zumindest für ein paar Tage deine Abneigung dagegen überwindest.«
Ihr Vater hatte schon mehrfach versucht, sie dazu zu überreden, mit einem Bodyguard zu reisen. Kati hatte das bisher immer abgelehnt. Ständig mit einem Schatten herumzulaufen, das war für sie das Ende jeglicher Privatsphäre. EinLeibwächter war nicht nur ein
Beschützer
, er war auch ein
Beobachter
.
»Keine Sorge«, beruhigte sie ihn. »Wir werden Dubrovnik morgen oder übermorgen sowieso verlassen und nach Istanbul weiterreisen. Es sieht so aus, als sei die Fibelscheibe dorthin gelangt.«
»Istanbul? Also doch.« Sie hatten schon gestern über die Möglichkeit gesprochen, dass die Fibel dort gelandet sein könnte. »Dann werde ich Faruk Sen informieren, dass er alles für euch vorbereitet.«
Sen war einer der vielen Mittelsmänner, die ihr Vater in aller Welt hatte. Manche von ihnen waren Geschäftspartner, andere unterstützten ihn bei der Suche nach antiken Artefakten. Kati hatte schon häufiger auf ihre Hilfe zurückgegriffen. Sowohl Chris als auch sie waren froh, wenn sie sich nicht um die Details der Unterbringung und des Transports kümmern mussten.
»Mach das. Ich ruf dich an, wenn wir abreisen.«
Kati beendete das Gespräch und folgte Chris ins Gebäude.
Die fremde Frau
Wer war er?
Die Frage ging ihm noch immer im Kopf herum.
Die Rettung der Frau vor den drei Angreifern hatte gezeigt, dass er ein guter Kämpfer war. Ganz automatisch hatte etwas in ihm die Kontrolle übernommen, und er hatte die Männer so leicht überwältigt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan.
Aber was war sein Leben?
Wo waren seine Erinnerungen?
Wer war er?
Deshalb war er auch weggelaufen. Die Frau hatte angefangen, Fragen zu stellen. Fragen, die er nicht beantworten konnte. Und wie kann ein Mann einer Frau gegenübertreten, wenn er nicht einmal weiß, wer er ist?
Ziellos lief er durch die Gassen der Stadt, die ihm so fremd war wie er sich selbst. Er fühlte sich schwach, so als habe er seine ganzen Kräfte bei dem Kampf aufgebraucht. Zwischen zwei Häusern entdeckte er einen Durchgang und folgte ihm in einen kleinen Hof.
Aus einigen Fenstern über ihm fiel ein wenig Licht. Der Hof war leer. Lediglich in einer Ecke stand ein Metallkasten auf Rädern, aus dem ein süßlicher Geruch drang. Er ging umden Kasten herum und ließ sich in dessen Schatten an der Mauer nieder.
Er musste nachdenken.
Was er zuerst benötigte, war Nahrung. Und dann eine Unterkunft. Vielleicht hätte er doch bei der Frau bleiben sollen?
Er legte den Kopf zurück, und sofort fielen seine Augen zu. Mit einem Ruck richtete er sich auf. Er durfte jetzt nicht einschlafen! Dieser Ort war nicht sicher!
Er wollte gerade aufstehen, als jemand seinen Namen rief.
»Ilyas.«
Er fuhr abrupt herum. Hinter dem Metallkasten trat eine Frau hervor.
»Ilyas«, wiederholte sie, »es ist schön, dich wiederzusehen.« Sie streckte eine beringte Hand aus und berührte ihn leicht an der Wange.
Er zuckte zurück. Er kannte diese Frau, das
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