Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
lieber mochte als die Lernerei. In den vergangenen zehn Jahren hatte er sich eine Narbe eingehandelt, die sich nun kräuselte, als er lächelte, nein, ein breites Grinsen zeigte, das seine Augen jedoch nicht annähernd erreichte. Vielleicht dachte er schon an die Unterrichtsstunden, die er unter Altaïr nach dessen Rückkehr würde erdulden müssen.
Er würde nicht darum herumkommen, dachte Altaïr, während sein Blick an Swami vorbei und zur Burg hinaufwanderte, wo eine große Fahne mit dem Zeichen der Assassinen im Wind flatterte. Er hatte angeordnet, die Fahne zu entfernen. Die Assassinen sollten auf derlei nichtssagende Embleme verzichten. Malik hatte jedoch offenbar beschlossen, sie wieder zu hissen. Noch einer, der in nächster Zeit einiges zu lernen haben würde.
„Altaïr“, sagte Swami und neigte den Kopf, und Altaïr beschloss, es ihm nachzusehen, dass er ihn nicht mit seinem korrekten Titel angesprochen hatte. Einstweilen jedenfalls. „Welch eine Freude, Euch zu sehen. Ich vermute, Eure Reisen waren ergiebig?“
„Ich habe Nachrichten gesandt“, sagte Altaïr und lehnte sich im Sattel nach vorn. Darim lenkte sein Pferd neben ihn, sodass sie nun zu dritt eine Reihe bildeten und auf Swami hinabsahen. „Wurde der Orden nicht über mein Vorankommen unterrichtet?“
Swami lächelte unterwürfig. „Natürlich, natürlich. Ich fragte nur aus Höflichkeit.“
„Ich hatte erwartet, von Rauf empfangen zu werden“, sagte Altaïr. „Er kennt meine Gewohnheiten am besten.“
„Ach, der arme Rauf.“ Swami senkte den Blick.
„Stimmt etwas nicht?“
„Rauf ist leider am Fieber gestorben.“
„Warum wurde ich darüber nicht informiert?“
Daraufhin zuckte Swami nur mit den Schultern. Als wüsste er es nicht, und als kümmerte es ihn auch nicht.
Altaïr schürzte die Lippen. Jemand würde ihm einiges erklären müssen, wenn auch nicht dieser Hund. „Dann lasst uns weitergehen. Ich nehme an, dass unsere Quartiere bereit sind?“
Swami neigte abermals den Kopf. „Ich fürchte nicht, Altaïr. Bis Eure Quartiere vorbereitet sind, soll ich Euch zu einer Unterkunft auf der Westseite der Festung begleiten.“
Altaïr blickte zu Darim hin, der die Stirn runzelte, und dann zu Maria, deren Blick ihm signalisierte: Obacht!
Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Nun gut“, sagte Altaïr zurückhaltend. Sie saßen ab. Swami winkte einigen jungen Dienern, die herbeikamen, um die Pferde zu übernehmen, derweil sie sich an den Aufstieg zur Zitadelle machten. Dort neigten die Wachen eilfertig den Kopf, als wollten auch sie, wie schon die Dörfler, Altaïrs Blick ausweichen. Anstatt jedoch durch die Barbakane zu gehen, führte Swami sie außen am inneren Schutzwall entlang. Altaïr ließ den Blick an den hoch aufragenden Mauern der Zitadelle emporwandern. Er wollte das Herz des Ordens sehen, während er spürte, wie der Ärger in ihm wuchs. Aber ein Instinkt riet ihm, noch abzuwarten.
Als sie die Unterkunft erreichten, erwies sie sich als niedriges Gebäude, das ins Gemäuer hineinreichte, mit einem flachen Bogen an der Tür und einer Treppe, die in ein Vestibül hinunterführte. Die Möblierung war karg, und es stand kein Personal bereit, um sie zu begrüßen. Altaïr war an bescheidene Unterbringung gewöhnt – mehr noch, er verlangte danach – , aber hier in Masyaf erwartete er als Meister der Assassinen im Turm des Meisters oder in einem gleichwertigen Quartier zu residieren.
Nun konnte er seine Verärgerung nicht länger bezähmen. Er drehte sich um und wollte Swami, der nach wie vor unterwürfig grinsend dastand, Vorhaltungen machen, als Maria seinen Arm ergriff und ihn zurückhielt.
„Wo ist Sef?“, fragte sie Swami. Sie lächelte freundlich, doch Altaïr wusste, dass sie Swami verachtete. Sie verachtete ihn mit jeder Faser ihres Körpers. „Ich bitte darum, dass Sef augenblicklich hierhergeschickt wird.“
Swami schaute gequält drein. „Ich bedaure, aber Sef ist nicht hier. Er musste nach Alamut reisen.“
„Und seine Familie?“
„Begleitet ihn.“
Maria warf Altaïr einen besorgten Blick zu.
„Was hat meinen Bruder nach Alamut geführt?“, schnauzte Darim, der über die armselige Unterkunft noch aufgebrachter war als seine Eltern.
„Das weiß ich leider nicht“, erwiderte Swami.
Altaïr holte tief Luft und trat auf Swami zu. Die Narbe des Mannes kräuselte sich nicht mehr, als das kriecherische Lächeln von seinem Gesicht verschwand. Vielleicht wurde ihm plötzlich bewusst,
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