Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
seine Anwesenheit nicht mehr, als es ein Geist getan hätte. Er verschmolz mit den Schatten, und seine Schritte waren ebenso wenig zu hören wie die einer Katze. Er wusste, dass Antonio den Angriff auf den Palazzo nicht befehlen würde, bis er das Signal gab, und er wollte zuerst ergründen, was Emilio im Schilde führte. Was waren das für Dokumente, die er erwähnt hatte?
„Warum wollen die Leute nicht Vernunft annehmen?“, sagte Emilio zu seinem Sekretär, während Ezio ihnen weiter nachschlich. „All diese Freiheiten, das führt doch nur zu immer neuen Verbrechen! Wir müssen dafür sorgen, dass der Staat sämtliche Aspekte des Lebens seiner Bürger kontrolliert und die Bankiers und privaten Finanziers zugleich freie Hand haben. Nur so kann die Gesellschaft blühen. Und wenn diejenigen, die dagegen sind, zum Schweigen gebracht werden müssen, dann ist das eben der Preis des Fortschritts. Die Assassinen gehören einer vergangenen Zeit an. Sie begreifen nicht, dass es der Staat ist, auf den es ankommt, nicht der Einzelne.“ Er schüttelte den Kopf. „Genau wie Giovanni Auditore, und der war selbst ein Bankier! Man hätte meinen sollen, er würde mehr Integrität zeigen!“
Ezio sog scharf den Atem ein, als der Name seines Vaters fiel, aber er verfolgte Emilio und seinen Sekretär weiter. Sie betraten Emilios Büro, wo sie Papiere auswählten und zusammenpackten, dann gingen sie zurück zu dem kleinen Steg am Gartentor, wo nun eine andere, größere Gondel auf den Hausherrn wartete.
Emilio nahm die Tasche mit den Papieren von seinem Sekretär entgegen und erteilte ihm einen letzten Befehl: „Schickt mir ein paar Kleider nach. Die Adresse kennt Ihr.“
Der Sekretär verbeugte sich und verschwand. Sonst war niemand zugegen. Die Gondoliere machten sich an Bug und Heck zum Ablegen bereit.
Ezio sprang von seinem Aussichtsplatz in die Gondel hinab, die dadurch bedrohlich ins Schaukeln geriet. Mit zwei raschen Ellbogenstößen beförderte er die Bootsleute ins Wasser, und dann hatte er Emilio auch schon an der Kehle gepackt.
„Wachen! Wachen!“, gurgelte Emilio und tastete nach dem Dolch in seinem Gürtel. Ezio ergriff sein Handgelenk genau in dem Moment, da er ihm die Waffe in den Bauch rammen wollte.
„Nicht so schnell“, sagte Ezio.
„Assassine! Du!“, knurrte Emilio.
„Ja.“
„Ich habe Euren Feind getötet!“
„Das macht Euch nicht zu meinem Freund.“
„Mein Tod bringt Euch gar nichts, Ezio.“
„Ich würde sagen, Euer Tod befreit Venedig von einer ärgerlichen … Bettwanze“, sagte Ezio und ließ seine Federklinge hervorsausen. „Requiescat in pace.“ Mit einer fast fließenden Bewegung ließ Ezio den tödlichen Stahl zwischen Emilios Schulterblätter dringen – das Ende kam schnell und lautlos. Ezios Fertigkeit im Töten wurde nur noch übertroffen von der metallisch kalten Entschlossenheit, mit der er der Verpflichtung seines Rufes nachkam.
Er legte Emilios Leichnam wie ein Bündel über die Bordwand der Gondel und machte sich daran, die Papiere aus dem Beutel des Toten zu nehmen. Darunter war vieles, was Antonio interessieren würde, dachte er, als er sie rasch durchblätterte. Sie sich gründlich anzusehen, dazu war keine Zeit. Eines davon erregte allerdings seine besondere Aufmerksamkeit – ein zusammengerolltes und versiegeltes Blatt Pergamentpapier. Gewiss eine weitere Kodexseite!
Gerade als er das Siegel erbrechen wollte, klapperte zwischen seinen Beinen ein Pfeil auf den Boden der Gondel. Augenblicklich alarmiert, duckte Ezio sich und spähte in die Richtung, aus welcher der Pfeil gekommen war. Hoch über ihm stand hinter den Zinnen des Palazzos eine Reihe von Barbarigo-Bogenschützen.
Dann winkte einer von ihnen – und turnte mit akrobatischem Geschick von der hohen Mauer herunter. In der nächsten Sekunde lag sie in seinen Armen.
„Tut mir leid, Ezio – ein dummer Scherz! Aber wir konnten einfach nicht widerstehen.“
„Rosa!“
Sie schmiegte sich an ihn. „Wieder mittendrin im Getümmel und zum Einsatz bereit!“ Sie sah ihn mit glänzenden Augen an. „Und der Palazzo Seta ist erobert! Wir haben die Kaufleute befreit, die sich Emilio widersetzt hatten, und jetzt kontrollieren wir den Bezirk. Komm! Antonio plant eine Feier, und Emilios Weinkeller sind legendär!“
* * *
Die Zeit verging, und in Venedig schien alles friedlich zu sein. Niemand betrauerte Emilios Verschwinden, im Gegenteil, viele wähnten ihn noch am Leben, und einige nahmen an, er
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